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Wein Kaufempfehlungen

Eleganz ist eine Tochter der Zeit

von Anna Ulrich
Jungweintrinken

Ein neuer Trend greift um sich. Oder anders herum: Die Mode des Jungweintrinkens flaut ab, und allerorts hört man den Wunsch nach gereiften Rotweinen. Die Winzer:innen aus Carnuntum haben dieser Entwicklung Rechnung getragen und in den letzten Wochen spannende Degustationen für Weinfachleute durchgeführt. Jede Degustation widmete sich dabei einem der großen Jahrgänge des letzten Jahrzehnts, um die Entwicklungsschritte der roten Carnuntiner unter die Lupe zu nehmen:

Wein schmeckt nicht jedes Jahr gleich. Auch wenn das Terroir mit all seinen Facetten den wohl größten Einfluss auf einen Wein hat, so sind es die Besonderheiten eines Jahrgangs, die dem Wein einen Rahmen geben. Frost im Frühjahr, ein trockener oder regnerischer Sommer, eine frühe Lese oder ein langer kühler Herbst, physiologische oder schnelle Zuckerreife... viele Parameter beeinflussen die Entwicklung der Trauben, und davon abhängig ist auch die Frage nach dem idealen Reifefenster eines Jahrganges.

Folgende Weine wurden verkostet:

  • Weingut Böheim Ried Stuhlwerker 1ÖTW 2015 Göttlesbrunn

  • Weingut Glatzer Ried Bärnreiser 1ÖTW 2015 Höflein

  • Weingut Robert Payr Ried Steinäcker 1ÖTW 2015 Höflein

  • Weingut Artner Ried Kirchweingarten 1ÖTW 2015 Höflein

  • Weingut Michaela Riedmüller Ried Spitzerberg 1ÖTW 2015 Prellenkirchen

  • Weingut Dorli Muhr Ried Spitzerberg 1ÖTW 2015 Prellenkirchen

Folgende Weine wurden verkostet:

  • Weingut Philipp Grassl Ried Bärnreiser 1ÖTW 2016 Höflein

  • Weingut Franz & Christine Netzl Ried Bärnreiser 1ÖTW "Anna-Christina" 2016 Höflein

  • Weingut Robert Payr Ried Steinäcker 1ÖTW 2016 Höflein

  • Weingut Michael Auer Ried Bühl 2016 Höflein

  • Johannes Trapl Ried Spitzerberg 1ÖTW 2016 Prellenkirchen

  • Weingut Dorli Muhr Ried Spitzerberg 1ÖTW 2016 Prellenkirchen

2015 - früh beeindruckend & hochgelobt

Das Weinjahr 2015 war für die Weingärten in Carnuntum eigentlich sehr fordernd: Die lange Trockenperiode im Sommer und Herbst machten den Reben zu schaffen, allerdings konnten sich die tief verwurzelten Pflanzen an den Wasserreserven aus dem Vorjahr bedienen, wodurch sich - vor allem bei älteren Reben - der Trockenstress in Grenzen hielt. In der Bearbeitung war der Jahrgang hingegen einfach, da keinerlei Pilzdruck bestand. Die Trauben hatten vielmehr fast ideale Vegetationsbedingungen, konnten perfekt physiologisch ausreifen und in Top-Zustand geerntet werden. Nach der Füllung konnten die Weine schon früh beeindrucken. Der Jahrgang wurde von den Verkostern hoch gelobt, doch die Winzer sind sich sicher: Der frühe Ruhm der Weine zeigt noch nicht das Potential des Jahrgangs. Noch heute brauchen die Weine viel Luft bis sie neben Primärfrucht ihre feinen Körper und Struktur offenbaren. Wer also 2015 aus Carnuntum noch im Keller liegen hat: Es lohnt sich, diese noch mindestens zwei bis drei weitere Jahre zu lagern. Je länger, desto eleganter.

kühl & elegant

Nach dem "einfachen" Jahr 2015 gestaltete sich die Vegetation im Folgejahr für die Winzer weitaus anspruchsvoller. Der sehr frühe Austrieb brachte im April den ersten nennenswerten Frost seit 25 Jahren, dem einige Reben zum Opfer fielen. Auch der häufige Niederschlag während des Sommers plagte die Winzer, die teilweise bis zu 15% Verlust durch die Selektion der Trauben hatten. Ab August folgten jedoch sommerliche Temperaturen mit über 30 Grad noch bis in den September hinein. Der goldene Herbst rettete den Jahrgang, der - zwischen den sehr heißen Jahren 15 und 17 gelegen - eine ganz andere Seite von Carnuntum zeigt. Die Weine des Jahrgangs 2016 sind deutlich kühler, sehr mineralisch, präzise und elegant. Durch die späte Reife sind die Weine außerdem beeindruckend aromatisch. Die anfängliche Skepsis, der alle kühleren Jahrgänge ausgesetzt sind, hat sich auch in diesem Fall als falsch heraus gestellt. Der Jahrgang ist noch jung, zeigt sich aber schon jetzt wunderbar trinkig. Ihr maximales Potential werden die besten Weine des Jahrgangs in 5 bis 10 Jahren erreichen.

Folgende Weine wurden verkostet:

  • Weingut Pitnauer Ried Haidacker 1ÖTW 2017 Göttlesbrunn

  • Weingut Gerhard Markowitsch Ried Rosenberg 1ÖTW 2017 Göttlesbrunn

  • Weingut Franz & Christine Netzl Ried Bärnreiser 1ÖTW "Anna-Christina" 2017 Höflein

  • Weingut Michael Auer Ried Aubühl 1ÖTW 2017 Höflein

  • Weingut Artner Ried Kirchweingarten 1ÖTW 2017 Höflein

  • Johannes Trapl Ried Spitzerberg 1ÖTW 2017 Prellenkirchen

Körper & Schmelz

Selbst die erfahrensten Weinbauern aus Carnuntum können sich nicht an eine frühere Ernte erinnern als 2018. Bereits am 15. August wurden die ersten Trauben gelesen. 2018 war auch das wärmste Jahr in der Weinbaugeschichte des Gebietes, was nur zum Teil den heißen Sommertagen, vor allem aber auch dem ungewöhnlich warmen Frühjahr zuzuschreiben ist. Die Rebblüte begann bereits Mitte Mai, also etwa drei Wochen früher als üblich. Trotzdem waren die Weinreben über den heißen Sommer optimal mit Bodenfeuchtigkeit versorgt. Die Weine aus diesem besonders warmen Jahr lassen die Sonne schmecken: Mehr Kraft, mehr Schmelz, extreme Dunkelbeerigkeit zeichnen die 2018er Weine aus Carnuntum aus - aber nicht ohne eine für das Gebiet typische Frische durch die stabile Säurestruktur mitzubringen. Im Vergleich zum Vorjahr ist 2018 meist schon früher zugänglich und antrinkbar. Mit ihrer Kraft und Mächtigkeit sind sie aber auch wahre Langstreckenläufer.

Folgende Weine wurden verkostet:

  • Weingut Böheim Ried Stuhlwerker 1ÖTW 2018 Göttlesbrunn

  • Weingut Philipp Grassl Ried Schüttenberg 1ÖTW 2018 Göttlesbrunn

  • Weingut Pitnauer Ried Haidacker 1ÖTW 2018 Göttlesbrunn

  • Weingut Gerhard Pimpel Ried Rosenberg 1ÖTW 2018 Göttlesbrunn

  • Weingut Taferner Ried Bärnreiser 1ÖTW 2018 Höflein

  • Weingut Josef Pimpel Ried Spitzerberg 2018 Prellenkirchen

2017 - ideale Balance

An diesen Jahrgang denken die Winzer:innen in Carnuntum gerne zurück. Zwar hat der leichte Frost im Frühjahr die Vegetationsperiode etwas nach hinten verschoben, aber das Weinjahr zeigte sich sonst nur von der besten Seite. Der Sommer sehr heiß, aber mit Regenfällen genau im richtigen Moment für eine ideale Versorgung mit Feuchtigkeit. Der Herbst war warm und trocken, sodass man ohne Zeitdruck den idealen Lesezeitpunkt abwarten konnte, um hochreife Trauben mit einer perfekten Säurestruktur ernten zu können. Die Weine zeigen ich heute noch recht verschlossen und brauchen entweder viel Luft im Glas oder noch einige Jahre Flaschenreife. Wer Geduld hat, den erwartet ein großartiger Wein mit idealer Balance zwischen hoher Fruchtreife, seidiger Tanninstruktur, viel Frische und animierender Säure. Ein einzigartiger Top-Jahrgang in Carnuntum.

2019 - top of the top

Auch wenn die Begriffe "Jahrhundertjahrgang" oder "Bilderbuchjahrgang" abgedroschen sind, so umschreiben sie ziemlich treffend die Weine aus 2019. Als Höhepunkt einer Reihe sehr, sehr guter Jahrgänge in Carnuntum lässt dieses Jahr kaum Grund zur Beschwerde. Ein Sommer mit warmen Tagen, kühlen Nächten, ohne Wetterkatastrophen, mit wenig aber ausreichend Niederschlag. Nur einen Nachteil hat 2019: Die geringe Ernte dieses außergewöhnlichen Jahrgangs stellt die Carnuntiner Winzer:innen vor die Herausforderung, die große Nachfrage nach diesem Jahrgang fair zu bedienen. Die Weine grenzen an Perfektion: Frische, Eleganz, Seidigkeit, Finesse, eine pikante Frucht sind in einzigartiger Balance vereint. Weine aus 2019 sind dank dieser Ausgewogenheit schon ungewöhnlich früh antrinkbar, aber man kann erahnen, dass sie ihr wares Potential in frühestens 10 Jahren entwickeln werden. Ein großartiger Jahrgang mit hoher Langlebigkeit.

Die Moral von der Geschicht'?

Nach den ausführlichen und intensiven Tastings mit Experten aus ganz Europa ziehen die Carnuntiner Winzer:innen ein Reife-Resümée: Bei kühleren Jahrgängen gilt die Formel "Jahrgang + 5", um die erste Trinkreife zu erreichen. Heiss-trockene Jahre wie 2015 oder 2017 sollte man gut und gerne zehn Jahre zuwarten, bevor man die größten Flaschen des Jahrgangs öffnet. In heissen Jahren mit guter Bodenfeuchtigkeit steigt die Mächtigkeit, die Weine sind aber dennoch schon nach etwa zwischen 6 und 7 Jahre nach der Ernte zugänglich.

Folgende Weine wurden verkostet:

  • Weingut Taferner Ried Haidacker 1ÖTW 2019 Göttlesbrunn

  • Weingut Gerhard Markowitsch Ried Rosenberg 1ÖTW 2019 Göttlesbrunn

  • Weingut Gerhard Pimpel Ried Rosenberg 1ÖTW 2019 Göttlesbrunn

  • Weingut Glatzer Ried Bärnreiser 1ÖTW 2019 Höflein

  • Weingut Michaela Riedmüller Ried Braunsberg 2019 Hainburg

  • Weingut Josef Pimpel Ried Spitzerberg 2019 Prellenkirchen

Über Rubin Carnuntum Weingüter

Die Rubin Carnuntum Weingüter sind 37 Winzer:innen des österreichischen Weinbaugebiets Carnuntum, die sich bereits 1986 zusammengeschlossen haben. Gemeinsam erarbeitet sie seitdem in penibler Fleißarbeit die geologischen und klimatischen Besonderheiten ihres Gebiets. 2019 definierten sie aufgrund dieser Untersuchungen den Carnuntum DAC. Ein Jahr zuvor, 2018, trat der Verein der Rubin Carnuntum Weingüter mit 20 Mitgliedern den Österreichischen Traditionsweingütern (ÖTW) bei.

Rubin Carnuntum Weingüter
Fischamender Straße 12/3
2460 Bruck an der Leitha

Rubin Carnuntum Weingüter

Carnuntum Weinbauregion
Projektmanagerin Anna Ulrich
Anna Ulrich
Projektmanagerin – derzeit in Karenz

Nachdem die gebürtige Pfälzerin ihre heimischen Winzer:innen in zahlreichen Kolumnen und zwei Büchern verewigt hat, brachte sie das Magisterstudium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft nach Wien. Seit Oktober 2016 unterstützt die Winzerstochter bei Wine+Partners Projekte und Events für deutsche, aber auch internationale Kunden. Anna ist aktuell in Elternzeit.