
Orientierung in einer komplexen Welt

Was läuft ab in unseren Zeiten und wie soll man damit umgehen? Zum Welttag des Buches am 23. April verraten uns Winzerinnen, Köche und andere kluge Köpfe ihre aktuelle Lieblingslektüre und warum uns diese Titel helfen, die globalen Herausforderungen zu verstehen und zu meistern.
„Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler", soll der französische Schriftsteller Philippe Djian gesagt haben. Bücher helfen uns über schwierige, traurige oder schlechte Tage. Sie entführen uns aber nicht nur im Sinne des Eskapismus in das Reich der Phantasie, sondern schaffen es auch, neue Perspektiven aufzuzeigen, unseren Blick zu schärfen, geben Raum für Erkenntnis, bringen Hoffnung, helfen uns, die Gegenwart besser zu verstehen und manche zeigen sogar konkrete Handlungsoptionen für die Zukunft auf. Gerade in Zeiten komplexer Krisen braucht es zuverlässige Stützen und kluge wie geduldige Ratgeber:


Tina Netzl empfiehlt: „Elefant“ von Martin Suter, Erstausgabe 2017 im Diogenes Verlag
„Ein Erwachsenen-Märchen um einen kleinen rosa Elefanten, der noch dazu im Dunklen leuchtet. Er zieht sowohl Gut als auch Böse gleichermaßen an und verändert die Menschen um sich auf wundersame Weise. Kleine Wunder bezaubern das Leben, und auch für Märchen ist man nie zu alt – oder? Auch, wenn sie leider nicht klassisch enden…“
Seit 2019 leitet Christina Netzl das das vielfach ausgezeichnete Weingut Franz & Christine Netzl in Göttlesbrunn im niederösterreichischen Weinbaugebiet Carnuntum. Ihre Passion für das so besondere Terroir und die Weine, die es hervorbringt, sowie ihre Kreativität lebt sie nicht nur am Familienweingut, sondern auch mit ihrer eigenen Naturwein-Linie aus.


Eva Moosbrugger empfiehlt: „Der Magier im Kreml“ von Giuliano da Empoli, ins Deutsche übersetzt von Michaela Meßner, C.H.Beck Verlag
„Das Buch ist zwar schon fast zwei Jahre alt, aber aktueller denn je. Die Geschichte über Putins wichtigsten Spindoktor ist zwar reine Fiktion, aber so glaubwürdig und spannend, dass ich das Buch auf einen Satz ausgelesen habe. Wie aus dem echten (russischen) Leben gegriffen.“
Eva Moosbrugger führt gemeinsam mit ihrem Mann Michael das Weingut Schloss Gobelsburg im österreichischen Kamptal. Darüber hinaus ist sie Secrétaire Générale der Académie Internationale du Vin und Vizepräsidentin des Freundeskreises Schloss Grafenegg.


Paul Steininger empfiehlt: „Shoe Dog“ von Phil Knight, FinanzBuch Verlag
„Ich lese grundsätzlich gerne Biografien. Zu meinen absoluten Empfehlungen zählt dieses Buch über die Lebensgeschichte des Gründers von Nike. Mit nur 50 Dollar gründete er ein Unternehmen und verkaufte die ersten Laufschuhe aus dem Kofferraum seines Autos. Heute erzielt Nike einen Jahresumsatz von über 30 Milliarden Dollar.
Dieses Buch ist unglaublich inspirierend, weil es eindrucksvoll zeigt, was alles möglich ist, wenn man nicht aufgibt – selbst nach schweren Rückschlägen. Es motiviert dazu, aufzustehen, weiterzumachen und mutig seinen Weg zu gehen.“
Paul Steininger ist Geschäftsführer der Braucommune in Freistadt im oberösterreichischen Mühlviertel. Das Mitglied der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs ist auch Teil der CulturBrauer. Die Zutaten und Rohstoffe für die elf Bierspezialitäten, die in der Braucommune produziert werden, stammen zu 100 Prozent aus Österreich. Alle Freistädter Biere tragen das Slow-Brewing-Gütesiegel.


Eva-Maria Nuart empfiehlt: „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwinkl, rowohlt
„Dieses Buch war ein Geburtstagsgeschenk meiner Freundin und ist eine unbedingte Leseempfehlung für alle Frauen und Männer, die ihren Horizont zum Thema Frausein in unserer Gesellschaft erweitern möchten. Ich bin zwar erst auf Seite 137, kann aber schon jetzt sagen: Genial geschrieben!“
Im Kärntner Mittertrixen stellt die Familie Nuart vulgo Hafner seit vier Jahrzehnten hochwertige Käse aus 100 Prozent Schafrohmilch her. Seit 2021 führen Eva-Maria und Daniel den Betrieb und bleiben der Philosophie treu, die Nachhaltigkeit, Handwerk und die Liebe zu den Tieren sowie ein Arbeiten mit der Natur vereint.


Vitus Winkler empfiehlt: „Die Genussformel“ von Bas Kast, Penguin
„Ein spannendes Buch über die Wissenschaft des Essens und wie sie mit unserem Belohnungssystem im Gehirn zusammenhängt. Kast erklärt, warum wir nach bestimmten Lebensmitteln regelrecht ,süchtig' werden, und wie Hersteller diese Effekte gezielt ausnutzen. Gleichzeitig zeigt er, wie man wieder lernt, bewusst zu genießen, ohne Verzicht, sondern mit echtem Geschmack und innerem Gleichgewicht.“
Vitus Winkler ist Präsident der JRE und hat mit dem Gourmet Boutique Hotel Sonnhof einen Hort des alpinen Hochgenusses geschaffen. Hier verschmelzen Design und Natur zu einer harmonischen Symbiose. Winklers Gerichte erzählen Geschichten, von der Region, den Produkten und Zutaten, die sie hervorbringt und von den Menschen, die sie zubereiten. Der Guide Michelin vergibt dafür zwei Sterne, Gault&Millau prämiert das Restaurant Kräuterreich by Vitus Winkler mit vier Hauben.


Rupert Henning empfiehlt: „Lichtspiel“ von Daniel Kehlmann, Rowohlt Verlag
„Daniel Kehlmanns ,Lichtspiel' ist ein Stück Weltliteratur über die Welt und das Menschsein in dunklen Zeiten, über das Nebeneinander von Kultur und Barbarei, über eine Vergangenheit, die alles andere als bewältigt ist, da sich ihre Abgründe und Finsterlinge auch in der Gegenwart wiederfinden. Grandios erzählt, stilistisch brillant und so unterhaltsam wie tiefsinnig. Ein bedeutendes Werk über Moral, das ganz ohne erhobenen Zeigefinger auskommt.“
Rupert Henning ist Drehbuchautor – unter anderem für Erfolgsformate wie Vier Frauen und ein Todesfall und die Kult-Krimiserie Tatort –, Schauspieler und passionierter Gourmet.


Clementine Perlitt empfiehlt: „Zeiten der Erkenntnis“ von Ian Mortimer, PIPER
„Ein geistreicher und inspirierender Streifzug durch die Europäischen Jahrhunderte und ihre prägenden Umbrüche. Geschichte frech und gewitzt niederzuschreiben, das gelingt dem britischen Historiker Ian Mortimer richtig gut. Ein Buch, bei dem ich immer wieder gerne rein höre. Ich lasse es auf Englisch bei meinen Autofahrten laufen. Ein gutes Mittel gegen Genervtheit im Stau.“
Clementine Perlitt verantwortet seit 2006 die Bereiche Marketing und Public Relations bei der Sektmanufaktur VAUX in Eltville im deutschen Rheingau.


Pedro Ribeiro empfiehlt: „The Death of Expertise“ von Tom Nichols, Oxford University Press Inc
„Was ist Fakt, was Fiktion? Wo hört Wissen(schaft) auf und wo fängt Meinung an? Tom Nichols beschreibt in seinem Buch, wie die Ablehnung von Expertenwissen unserer Gesellschaft und Demokratie schadet. Er argumentiert, dass Menschen im Zeitalter der Informationsüberflutung mehr Vertrauen in ihre eigene Meinung haben – selbst wenn sie falsch ist – als in Fakten von Fachleuten. Eine Pflichtlektüre, um die Gefahren des Anti-Intellektualismus und die Bedeutung des kritischen Denkens in der heutigen Welt zu verstehen.“
Gemeinsam mit seiner Partnerin Catarina Vieira leitet Pedro Ribeiro das Weingut Rocim, das das Power-Couple zu einem der erfolgreichsten Projekte Portugals entwickelt hat.


Katrin Steindl empfiehlt: „Männerbund und Frauenbonus“ von Veronika Hucke, brand eins books
„Auf dem Weg zu ein paar freien Tagen mit meiner Tochter Alma begleiten mich zwei Bücher – eines davon ist dieser kompakte Abriss über die Probleme, die Geschlechterklischees mit sich bringen. Hucke erläutert anschaulich die bewussten und unbewussten Strategien, mit denen Klischees am Arbeitsplatz etabliert werden – und wie Frauen damit kleingehalten werden, heute leider immer noch aktuell. Als Unternehmerinnen und Arbeitgeberinnen setzten wir uns kontinuierlich mit dem Thema Geschlechterrollen auseinander. Wir wollen – einfach gesagt – lernen und leben wie es anders und besser gehen kann!“
Gemeinsam mit ihrer Schwester Sabrina leitet Katrin Steindl seit 2019 den Unterwirt im Tiroler Ebbs. Der Familienbetrieb vereint Hotel, Restaurant und Landwirtschaft. Mit Leidenschaft, Traditionsbewusstsein und Innovationsgeist sorgen die beiden JRE-Mitglieder für frischen Wind im geschichtsträchtigen Wirtshaus.
Über den Weltbuchtag
1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum „Welttag des Buches und des Urheberrechts“. Seitdem steht dieser Tag rund um den Globus ganz im Zeichen aller Berufsgruppen, die daran beteiligt sind, dass Bücher zum Lesevergnügen werden. Das sind neben den Autor:innen auch Verlage, Übersetzer:innen, Bibliotheken oder Buchhändler:innen. Insbesondere geht es an diesem Tag auch darum, ein Bewusstsein für lokale Buchhandlungen zu schaffen und diese zu unterstützen. Denn angesichts einiger weniger großen Unternehmen, der enormen Konkurrenz globaler Online-Riesen und der wirtschaftlich brisanten Situation kämpfen viele von ihnen ums Überleben. Deshalb und nicht nur am 23. April: Support your local Buchhändler:in!