What about alkoholfreier Wein?
Es geht auch ohne! Das Wine+Partners-Team verkostete 14 entalkoholisierte Weine und weinähnliche Getränke ohne Alkohol. Welche Produkte am besten performten und warum alkoholfreier Wein ein Zukunftsthema mit viel Potenzial ist, wird hier verraten.
Nüchtern blieben an diesem Abend nicht nur die Mitarbeiterinnen von Wine+Partners, denn auch in Sachen zuverlässiger Zahlen zum Thema alkoholfreier Wein sitzt man – zumindest in Österreich – auf dem Trockenen.
Chancen erkennen
Eine schnelle Recherche bei zwei großen Online-Weinhändlern ergibt: Entalkoholisierte Weine und Sparklings werden zwar angeboten, der Anteil am Gesamtsortiment ist aber verschwindend gering. Ist alkoholfreier Wein also ein Nischenthema?
Hier muss die Antwort klar Nein lauten, denn verschiedene internationale Studien und Umfragen zeigen: Innovative Produkte ohne oder mit einem geringen Gehalt an Alkohol haben Potenzial.
Das bestätigt der aktuelle ProWein Business Report 2023, für den rund 2.500 Expert:innen der Weinbranche aus 47 Ländern befragt wurden. Den Marktchancen für Weine und Schaumweine aus dem so genannten No-&-Low-Segment – also jene Produkte ohne bzw. mit wenig Alkohol – wurde ein eigener Sonderbericht gewidmet, ein Zeichen für den wachsenden Stellenwert des Themas in der Branche. Als wichtige Absatzmärkte wurden UK, USA und skandinavische Länder identifiziert, wobei hier sicherlich auch steuerliche Aspekte eine Rolle spielen dürften.
Während die befragten Händler:innen das Potenzial erkennen und mehr Produkte, insbesondere Sparklings, aus dem No-&-Low-Segment listen wollen, schaut es aufseiten der Winzer:innen anders aus. Mehr als 50 Prozent der Befragten gaben an, keine Änderungen in der Produktion vornehmen zu wollen. Was auf den ersten Blick so wirken mag, als würde hier ein Trend verschlafen, liegt aber vor allem in den Produktionsbedingungen begründet. Der technische Prozess der Entalkoholisierung ist komplex und damit teuer. Vor allem für kleinere Betriebe ist dieser Aufwand wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, zumal für die Entalkoholisierung meist Mindestmengen vorgeschrieben werden.
Hier wird es Strategien, neue Zugänge und Innovationen brauchen, um dem wachsenden Markt mit entsprechenden Produkten gegenüberzutreten. Erste Ansätze gibt es hier bereits, etwa durch Wein-ähnliche Getränke, die aus Tees, Extrakten, Kombucha oder Säften hergestellt werden.
Seit einer EU-Gesetzesnovelle Ende 2021 dürfen sich alkoholfreie und alkoholreduzierte Produkte rechtlich Wein nennen und fallen damit unter das Weingesetz. In den einzelnen Weingesetzen der Mitgliedsstaaten sind in weiterer Folge Details wie beispielsweise ein Maximalwert von 0,5% Vol. für entalkoholisierten Wein oder das Verbot von engeren geographischen Herkunftsbezeichnungen (Österreich) geregelt.
Auslaufmodell Alkohol?
Die Branche scheint auf internationalem Level den Trend erkannt zu haben. Damit kommt sie einem sich stark im Wandel befindlichen Konsumverhalten nach. Gerade junge Menschen stehen alkoholhaltigen Getränken immer kritischer Gegenüber. Die Gründe dafür sind breit gefächert und reichen vom Healthy Lifestyle – Stichwort: Sober October, Dry January oder Dry July – bis hin zur Angst vor Kontrollverlust unter Alkoholeinfluss. Zudem gewinnen Wein-Mischgetränke immer mehr an Bedeutung. Wirft man einen Blick in Getränkekarten, könnte man überspitzt schon von einem "Spritzer-Boom" sprechen.
Auch die Analysen der Österreich Wein Marketing (ÖWM) belegen ein geändertes Konsumverhalten. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Wein gehe aufgrund verschiedener Faktoren zurück, neue Konsument:innen würden "anders" trinken heißt es da. Mit alkoholfreien Produkten könnte man also künftig auch Nicht- sowie Selten-Weintrinker:innen abholen bzw. Experimentierfreudigen eine spannende Alternative bieten.
Der Wine+Partners-Test
Umfragen und Statistiken mögen eine Ahnung davon geben, wie sich der Alkoholkonsum in Zukunft verändern wird. Manchmal ist der Grund für den Verzicht aber auch ganz einfach und erfreulich, beispielsweise – wie in dem Fall des Wine+Partners-Tastings – eine Schwangerschaft einer Kollegin. Weil sie es leid war, immer nur Wasser oder Säfte zu trinken, organisierte sie eine Verkostung von insgesamt 14 Produkten. Die Auswahl der Proben erfolgte dabei ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Mit dabei waren entalkoholisierte Weine in Weiß, Rosé und Rot, Sparklings aber auch an Wein angelehnte Getränke.
Bei der Verkostung fiel es zugegeben schwer, die Ansprüche, die man an "echten" Wein hat, abzulegen. Denn natürlich schmeckt man einen Unterschied und kann daher bei der Bewertung von alkoholfreien Produkten nicht dieselben Maßstäbe ansetzen, wie bei einem regulären Wein-Tasting. Alkohol ist ein Geschmacksträger, daher ist es umso spannender, wie Winzer:innen es schaffen, die Aromen im Produkt zu halten, während der Alkohol – entweder durch Vakuumdestillation oder Umkehr-Osmose – weichen muss.
Einer, dem das besonders gut zu gelingen scheint, ist der VDP-Winzer Johannes Leitz aus Rüdesheim. Als Riesling-Botschafter ein Spitzenwinzer von internationalem Format hat er mit seiner Eins-Zwei-Zero-Linie auch entalkoholisierte Produkte im Sortiment. Man wolle "hochwertigen Genuss in bester Qualität" bieten, auch ohne Alkohol – so das Mission Statement. Das scheint aufzugehen, denn Leitz konnte für zwei seiner alkoholfreien Weine bereits Auszeichnungen bei der Vinordic Wine Challenge einfahren. Und auch das Wine+Partners-Team wählte die Eins-Zwei-Zero-Weine an die Spitze.
Die drei Favoriten des Wine+Partners-Teams
Eins-Zwei-Zero Rosé – Weingut Leitz, Rüdesheim
Eins-Zwei-Zero Riesling – Weingut Leitz, Rüdesheim
Sparkling – St. Antony, Nierstein
Gekommen, um zu bleiben
Sieht man sich die Bier-Branche an, kann man erahnen, wo die alkoholfreie Reise künftig hingehen wird. Laut österreichischem Bierkulturbericht ist der Konsum von alkoholfreien Bieren von 17 Prozent im Jahr 2017 auf aktuell 28 Prozent angestiegen. Besondere Relevanz scheinen alkoholfreie Produkte bei der jungen Zielgruppe zu haben. Rund ein Drittel der 18- bis 29-Jährigen gibt an, alkoholfreies Bier zu trinken.
Zwar ist bei alkoholfreiem Bier die Produktion einfacher, aber auch bei Wein wird der technologische Fortschritt seinen Beitrag zu qualitativ immer hochwertigeren Produkten leisten. Zudem wird es ein Umdenken bei den Winzer:innen brauchen. Hier eröffnen auch Faktoren wie der Klimawandel und eine daraus folgende Änderung des Rebsortenspektrums neue Chancen und Perspektiven. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es für alkoholfreie sowie alkoholarme Produkte eine andere Marketingstrategie und Zielgruppenansprache brauchen, wie man sie beispielsweise beim Weingut Leitz oder der Kolonne Null bereits umsetzt. Und in jedem Fall wird es auch Mut brauchen. Aber für die Mutigen wird die Zukunft – frei nach Victor Hugo – stets eine Chance sein.