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"Diese Weine würden wir unseren Freunden empfehlen"

von Marion Topitschnig
Joshua Greene
Joshua Greene

Im Interview verrät Wine & Spirits Herausgeber Joshua Greene, wie die "Top 100 Wineries"-Liste zustande kommt und was gerade dieses Ranking unverzichtbar macht.

Joshua Greene ist dieser Tage ein viel gefragter Gesprächspartner. Gerade erst hat er als Herausgeber und Verleger des renommierten US-Magazins Wine & Spirits die international viel beachtete Liste der Top 100 Wineries veröffentlicht, trotzdem fand er Zeit für ein kurzes Interview. Darin lässt er einen Blick hinter die Kulissen zu und verrät, wie die Rangliste – seit 1987 veröffentlicht Wine & Spirits die Weingüter des Jahres, die Top 100 Wineries gibt es seit den 90er-Jahren – zustande kommt.

Wine+Partners: Wie schafft es ein Weingut, in dem Ranking der Top 100 Wineries gelistet zu werden? Kann man sich einfach bewerben?
Joshua Greene:
"Ein Weingut kann sich nicht um die Aufnahme in die Liste bewerben, aber es kann im Laufe des Jahres Weine bei unseren Verkostungsausschüssen einreichen. Dies ist die einzige Möglichkeit, berücksichtigt zu werden."

Nach welchen Kriterien werden die Weingüter (und ihr Weinportfolio) für die Verkostung ausgewählt?

"Unsere Verkostungen stehen allen auf dem US-Markt vertretenen Betrieben offen, wobei das Einreichungsprotokoll auf unserer Website ausführlich beschrieben ist."

Wir wollen erkennen, welches Potenzial in den Weinen steckt.

Die Grundlage für das Ranking ist ein zweistufiges Blindverkostungsverfahren, bei dem Ihren Angaben zufolge Tausende von Erzeugern überprüft werden. Wie viele Weine werden verkostet und nach welchen Kriterien bzw. welchem Schema werden sie bewertet? 

"Generell verkosten wir Weine nach Kategorien, pro Verkostungsrunde sind es zwischen 24 und 36 Weine. Je nachdem, welchen Stellenwert die jeweilige Kategorie in der Branche – allen voran im Weinhandel – hat, setzt sich das Panel aus drei bis acht Personen zusammen, darunter Vertreter:innen der Sommelerie, Einkäufer:innen aus dem Einzelhandel, Expert:innen wie Wien-Pädagog:innen und Journalist:innen. Die Weine werden blind in nummerierten Gläsern verkostet, die Jurymitglieder erhalten dabei Informationen über den Jahrgang, die Bezeichnung und die Sorte. Preisinformationen geben wir den Jurymitgliedern nur, wenn der Einzelhandelspreis unter 20 US-Dollar liegt.

Die zentralen Fragen bei der Verkostung sind: „Würdest du diesen Wein einem Freund bzw. einer Freundin empfehlen? Würdest du den Wein mit ihm oder ihr trinken?“ Die Weine, die von der Mehrheit der Panel-Mitglieder empfohlen werden, werden dann unter denselben Blindverkostungsbedingungen erneut dem Kritiker für diese Kategorie zur Bewertung vorgelegt.

Die Verkostungen – pro Jahr sind es mehrere hundert – sind keine Momentaufnahmen, manche Weine werden über Tage hinweg immer wieder probiert, um ihr Entwicklungspotenzial zu erkennen."

Wie groß ist das Team hinter dem Ranking? Wer ist Teil des Teams?

"Derzeit sind sechs Personen als Kritiker tätig und vier weitere Personen arbeiten an der Verkostungslogistik. Zu den Kritikern gehören Stephanie Johnson (Italien), Patrick J. Comiskey (USA), Corey Warren (Argentinien, Südfrankreich, Osteuropa), Susannah Smith (Griechenland), Joshua Greene (Nordfrankreich, Mitteleuropa, Iberien, Chile, Australien und Neuseeland), Jamal Rayyis (Armenien, und bald noch mehr). Corey Warren ist unser Verkostungsredakteur und leitet das Logistikteam."

Wie lange dauert die Erstellung des Rankings? Wie lange arbeiten Sie und Ihr Team daran?

"Das lässt sich nicht wirklich sagen. Das hängt ganz von der jeweiligen Verkostung ab." 

Das Top 100 Wineries Ranking wird seit den 1990er-Jahren publiziert. Haben sich in dieser Zeit irgendwelche Trends herauskristallisiert? Sind zum Beispiel bestimmte Regionen beliebter geworden oder hat der Anteil der Weingüter, die von Frauen geführt werden, zugenommen?

"Sicherlich gibt es mehr Weingüter, die von Frauen geführt werden, aber es gab in dieser Branche schon immer Frauen in Führungspositionen, zumindest seit dem 19. Jahrhundert. Man denke nur an Veuve Clicquot, an Dona Antonia Adelaide Ferreira, oder im 20. Jahrhundert beispielsweise an Lily Bollinger."

Haben Sie von den gelisteten Weingütern selbst Rückmeldungen zum internationalen Impact der Rangliste erhalten?

"Da die Auszeichnung auf so umfangreichen Recherchen im Rahmen von Verkostungen über ein ganzes Jahr hinweg beruht, sind diejenigen, die einen Platz unter den Top 100 erhalten, oft ziemlich aufgeregt. Wir hören auch, wenn Weingüter, die immer wieder ausgezeichnet werden, den Sprung nicht schaffen. Sie setzen sich dann mit uns in Verbindung , um zu erfahren, wo ihre Weine in diesem Jahr nicht so gut performt haben, in der Hoffnung, dass sie im nächsten Jahr bei den Verkostungen besser abschneiden."

Es gibt bereits so viele Rankings und Listen, dass kritische Stimmen sagen, es seien viel zu viele. Was macht das Ranking der Top 100 Wineries so besonders und unverzichtbar?

"Keine Rangliste ist unverzichtbar, aber da wir die einzige große Weinbewertungsquelle sind, die in einem strengen Format blind nach Erzeuger und Preis verkostet, mit ständiger Kontrolle dieses Prozesses durch die Teilnahme des Handels, und da unsere Verkostungsstruktur offener und transparenter ist als jene anderer Weinbewertungsquellen, sind die Top 100 Wineries so wichtig."

"Unsere Verkostungsstruktur ist offener und transparenter als jene anderer Weinbewertungen."

Zum Schluss wird es etwas patriotisch: Wie ist Österreich in den Top 100 Wineries 2023 vertreten?
"Dorli Muhr aus Carnuntum und das Weingut Wachter-Wiesler vom Eisenberg sind heuer beide zum ersten Mal in der Liste. Rudi Pichler (Wachau) wurde zum dritten Mal ausgezeichnet und das Weingut Moric hat bereits acht Awards erhalten."

 

 

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