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Erfolgsgeschichten

Den Gegenwind zum Vorteil nutzen

von Marion Topitschnig
Dorli Muhr und Augustina de Alba
Agustina de Alba kam zur VieVinum 2024 nach Österreich und besuchte Dorli Muhr auf ihrem Weingut in Prellenkirchen, Carnuntum.

Sympathisch, bodenständig, nahbar: Agustina de Alba ist wohl eine der bekanntesten Weinpersönlichkeiten Argentiniens und international gefragte Wein-Kommunikatorin. Warum die sehr jung sehr erfolgreiche Top-Sommelière lange das Gefühl hatte, nicht in die Weinwelt zu passen und wie sie sich ihren ganz eigenen Platz geschaffen hat, erzählt sie im Interview.  

 

„Wo auf der Welt würdest du gerne Urlaub machen?“ Als Agustina de Albas Vater ihr diese Frage stellt, ist sie 15 Jahre alt. Wegen eines Jungen wählt sie damals das Reiseziel Mendoza. „Ich dachte, dass ich ihn dort treffen werde und wir uns ineinander verlieben“, erzählt die Mittdreißigerin. Daraus wurde nichts, doch sie entdeckte in Mendoza eine ganz andere Leidenschaft: „Ich ‚traf‘ stattdessen den Wein.“ Als sie zum ersten Mal und ganz ohne Vorwissen aber voll Neugierde einen Weinkeller betrat, fing sie an „vor Glück zu weinen.“ Dieser emotionale Moment zwischen Weinfässern und Tanks inmitten von Erwachsenen einer brasilianischen Reisegruppe war so etwas wie eine Initialzündung. 

 

Kein Plan B 

Zurück in Buenos Aires, wo sie 1987 geboren wurde, steht für Agustina de Alba fest, sie will mit Wein arbeiten. Bei der Berufsorientierung – ihre Mitschüler:innen wollen Anwalt oder Ärztin werden – sagt sie schließlich und noch ohne zu wissen, dass es den Beruf der Sommelière gibt:  

„Mein Traum ist es, Leute zu treffen, um die Welt zu reisen und Wein zu vermitteln.“ 

Ein 15-jähriges Mädchen, das sich dem Wein widmen will? De Albas Zukunftsvision sorgt an ihrer Schule für einiges Aufsehen, doch ihr Englischlehrer gibt ihr schließlich den entscheidenden Hinweis: „Ich habe einen Beruf für dich, er heißt Sommelier.“ 

Mit 19 beendet sie ihre Ausbildung an der Escuela Argentina de Sommeliers mit Auszeichnung. Und dann geht es Schlag auf Schlag. 2008 – nur ein Jahr nach ihrem Abschluss – und 2012 wird sie zum „Besten Sommelier Argentiniens“ gekürt, beim Wettbewerb „Best Sommelier of the Americas 2012“ belegte sie den sensationellen 5. Platz. Zehn Jahre lang arbeitet De Alba als Sommelière in einigen der besten Restaurants rund um den Erdball, etwa im El Celler de Can Roca in Spanien, in London oder für Alain Ducasse in Afrika.  

„Ich habe das Glück, von meinem Hobby, meiner Leidenschaft leben zu können.“ 

Eigene Regeln 

Trotz der großen Erfolge und den renommierten internationalen Stationen hatte De Alba das Gefühl, nicht in die Weinwelt zu passen. In Argentinien sagt man dazu „sapo de otro pozo“, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie „Kröte aus einem anderen Brunnen“. „Ich habe mich dem Wein verschrieben, wollte alles lernen, Neues entdecken und fühlte mich dennoch oft einsam. Es waren harte Jahre, aber sowohl die Wettbewerbe als auch meine Engagements in den Spitzenrestaurants haben mir eine solide Grundlage gegeben“, erinnert sie sich.  

 „Wenn man Regeln brechen oder eigene aufstellen will, muss man zuerst die bestehenden lernen.“  

2015 startet De Alba schließlich mit ihrem Projekt „Hola vino“. „Ich habe festgestellt, dass niemand mit den Verbraucher:innen direkt spricht“, erzählt sie. Die Branche erlebte sie als sehr exklusiv, elitär und von Männern dominiert. Und sie stellte fest:  

„Die Weinwelt hatte wenig mit Genuss und Freude zu tun.“  

Niemand habe die Basics vermittelt und es gab eine große Hemmschwelle. De Alba stellte sich die simple Frage: „Was wollen die Menschen über Wein wissen?“ Und gab bzw. gibt mit Hola Vino Antworten darauf – unkompliziert, einfach und nahbar. Das Projekt umfasst sämtliche Kanäle von Social Media über Workshops, Events und Vorträge vor hunderten Menschen bis hin zum gleichnamigen Buch, das 2020 erschien. 

„Alles, was ich auf kommunikativer Ebene tue, basiert auf Respekt und meinem Engagement für Bildung.“ 

Wein ist cool 

Agustina de Alba steht heute selbstbewusst für eine neue Generation an Weinexpert:innen, war in der Vergangenheit aber auch mit Vorurteilen und abschätzigen Kommentaren aufgrund ihres Geschlechts und Alters konfrontiert. „In Argentinien hat sich in den vergangenen 20 Jahren viel geändert“, berichtet sie. Wein sei mittlerweile hip, trendy, immer mehr sehr junge Menschen sorgen für neuen Wind in der Szene. Und den Gegenwind, der ihr noch in ihren frühen Jahren entgegenblies, wusste die heute 36-Jährige zu drehen: „Wenn man weiß, was man will, und wenn man sich sehr für das einsetzt, was man tut, kann man den Gegenwind zu seinem Vorteil nutzen“.  

Heute ist die Sommellerie in Argentinien von Frauen dominiert, eigene Frauennetzwerke brauche es daher für diese Branche nicht. „Ich habe ein Netzwerk aus Frauen und Männern, allesamt dem Thema verbunden, da mache ich keinen Unterschied.“ 

Mehr als Malbec 

Im vergangenen Jahr rankte Die IWSC De Alba auf der Shortlist für die Auszeichnung zum „Wine Communicator of the Year“, sie selbst  ´versteht sich – „ganz und gar“, wie sie sagt – als Botschafterin für den argentinischen Wein.  

„Ich liebe mein Land, ich liebe, was in meinem Land passiert, ich liebe die Geschichte, die wir in Argentinien haben, und ich liebe, wohin sich der argentinische Wein entwickelt, der immer vielfältiger wird!“ 

Und es ist genau diese Vielfalt, die Agustina de Alba mit Leidenschaft und Engagement in die Welt hinausträgt. „Hören die Leute Argentinien, so denken sie meist an Malbec mit viel Körper, viel Alkohol und viel Holz. Dabei gibt es so viele unterschiedliche Arten Malbec und so viel mehr zu entdecken, meine Empfehlung sind Criollas. Die Sortenfamilie entstand durch Kreuzungen von europäischen und lokalen Rebsorten.“  

 Auch wenn es um ihr perfect match in Sachen Food-Pairing geht, ist Agustina de Alba patriotisch und empfiehlt: „Ein Choripán mit einem Glas Torrontés.“ Die aus Criolla Chica und Muscat d’Alexandrie gekreuzte autochthone Rebsorte bringt Weine mit kräftiger Aromatik bei moderater Säure hervor und ist damit der ideale Begleiter zum würzigen Asado-Sandwich mit gegrillter Chorizo. „Denn das Wichtigste bei der Kombination aus Speisen und Wein ist die Balance, die man entweder durch Affinität oder Opposition erreicht“, sagt Agustina de Alba.  

 Und wie sieht es außerhalb Argentiniens aus? Welche Weinregionen hat die Sommelière auf ihrer Bucketlist? „Meinen Traum, Österreich zu besuchen, habe ich mir zur VieVinum 2024 erfüllt und danach ging es für mich nach Frankreich, ins Jura, auch ein lang gehegter Wunsch von mir.“ 

Agustina de Alba mit ihrem Partner Felipe D'Annunzio
Agustina de Alba mit ihrem Partner Felipe D'Annunzio © Henrike Heinicke / Wine+Partners

Ein weiteres Herzensprojekt realisierte Agustina de Alba mit ihrem Partner, dem Künstler Felipe D'Annunzio. Das Paar, das seit zwei Jahren auch beruflich gemeinsame Sache macht, eröffnete in Buenos Aires kürzlich ein „geheimes“ kleines Lokal für maximal 20 Personen. Neben D’Annunzios Werken kann man hier Wein im Rahmen von Masterclasses verkosten. „An diesem Ort, wollen wir Menschen wie in unserem Zuhause willkommen heißen.“  

 
Text: Marion Topitschnig 
Das Interview führte: Henrike Heinick

 

ZUR PERSON

1987 in Buenos Aires geboren war Agustina de Alba nach ihrer Ausbildung zur Sommelière in der internationalen Top-Gastronomie tätig. Mehrmals nahm sie am Wettbewerb „Mejor Sommelier de Argentina“ teil, den sie auch zweimal gewann (2008 und 2012). Von der. IWSC wurde sie 2023 unter die Top 5 Wein-Kommunikator:innen weltweit gewählt.  

2015 machte sich Agustina de Alba mit dem Projekt „Hola Vino“ selbstständig. Ihr Ziel: Menschen Wein näherbringen – unkompliziert und niederschwellig. Das macht sie unter anderem in Shows, auf Social Media, im Radio und mit ihrem gleichnamigen Buch, das 2020 erschien. In Argentinien gilt sie als „Rockstar“ der Sommelier-Szene und konnte bereits Tausende Menschen für Wein begeistern.  

Neben den „Hola Vino“-Shows, bei denen De Alba dem Publikum Werkzeuge vermittelt, um sich in der Welt des Weins zurechtzufinden, veranstaltet sie mit „Hola Feria“ regelmäßig Weinmessen. Bei „Hola Cata“ empfängt sie Kleingruppen von max. zehn Personen, mit denen sie Weine zu bestimmten Themenschwerpunkten verkostet.