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Wein Nachhaltigkeit

Luxus namens Zeit

von Bettina Bäck
Gut Hermannsberg

Mehr als jede andere Weißweinsorte brauchen Rieslinge, die auf kargen Böden gewachsen und großes Potential mit sich bringen, viel Zeit, um ihren Charakter zu entwickeln.

Raue Jugendjahre

In der Jugend sind sie oft verschlossen, abweisend und besitzen noch keinerlei Balance. Erst nach einigen Jahren der Reife – sei es im Fass, sei es in der Flasche – zeigen sie, was wirklich in ihnen steckt. Sie beginnen aufzublühen, wenn einfache Weine bereits am Verwelken sind. Dass man große Rieslinge in perfekter Entwicklung genießen kann, ist aber auch ein seltenes Glück. Denn der Luxus, der dahintersteckt, heißt Zeit.

Ein großer Riesling beginnt mit der Bodenarbeit

Gut Hermannsberg an der Nahe ist Vorreiter, wenn es um den Luxus „Zeit“ geht. Kellermeister Karsten Peter kümmert sich nicht nur mit viel Herzblut um die Vinifizierung im traditionsreichen Keller, sondern er hat in den letzten zwölf Jahren auch viel Arbeit und Zeit in die Bewirtschaftung und Umstellung der sieben VDP.Grossen Lagen gesteckt, auf denen sich die Weinberge von Gut Hermannsberg erstrecken. „Will man einen wirklich großen Riesling hervorbringen“, so Karsten Peter, „beginnt die Arbeit nicht nach der Ernte, sondern mit dem Rebschnitt und noch früher: mit der Bodenbearbeitung. Zehn Jahre Arbeit, um perfekte Trauben zu produzieren, sind keine Übertreibung.“

Unendlich viele Details beachten

Auf Gut Hermannsberg verzichtet man heute auf jede chemische Düngung, Insektizid – und Herbizideinsatz. Auf 6 ha wird gar ganz traditionell mit der Hacke gearbeitet. Um die Erosion in den bis zu 80 % steilen steinigen Lagen zu verhindern, wird jedes Jahr aufwendig Stroh in die Rebzeilen eingebracht. Der Ertrag der Weinberge liegt heute rund 25 % unter jenem aus früheren Jahren, dafür sind die Weine wieder extrem ausdrucksstark geworden. Die nächste Etappe ist die Verarbeitung im Keller, wo auf Gut Hermannsberg heute ganz puristisch mit wilden Hefen gearbeitet wird, Schönungen gänzlich vermieden werden, was starke Charaktere unterstützt. „Wenn man diese vielen kleinen Schritte gesetzt hat, die zu einem großen Riesling führen, bricht es einem das Herz, wenn der Wein zu früh ins Glas kommt“, erklärt Achim Kirchner. „Zu oft muss man dann erleben, dass die ganze Dimension des Weines nicht erfasst werden kann.“ Dies war der Grund, warum Gut Hermannsberg schon 2015 für den renommiertesten Wein des Gutes, den Riesling Kupfergrube GG, das Releasedatum auf fünf Jahre nach der Ernte gelegt hat.

Hermannsberg GG wird zum RESERVE-Wein

Mit dem Jahrgang 2019 folgte dann auch der Umstieg beim Riesling Hermannsberg GG. Seit 2016 wurden bereits Teilmengen für das RESERVE-Konzept zurückgelegt, ab 2019 dann die gesamte Erntemenge. Die Monopollage ist namensgebend für das Weingut. Mit seinen Schieferböden zeigt sich der Hermannsberg besonders lange verschlossen und unzugänglich, die Entwicklung dauert hier ähnlich lange wie in der Kupfergrube, die dort auf Vulkanboden eine ganz andere Lebenskurve besitzen. Die Kupfergrube muss dabei ihre expressive Komplexität zu Harmonie verbinden, der Hermannsberg vielmehr seine Talente entfalten. Am Ende profitieren beide Lagen vom Luxus Zeit. Feuerprobe bestanden In einer jüngsten Jahrzehnt-Vertikalprobe (gemeinsam mit Bâtard-Montrachet) konnte man ganz deutlich sehen, wie lange der Hermannsberg braucht, um seine Balance und Vielschichtigkeit zu entwickeln. Es war der Riesling Hermannsberg 2016, der die ExpertInnen begeisterte, und er ging als klarer Sieger aus der Verkostung hervor. Sämtliche jüngeren Jahrgänge überstrahlte er mit Eleganz, Präzision und innerer Harmonie. Das Fazit machte deutlich, dass dieser Wein völlig zu Recht erst nach fünf Jahren auf den Markt kommt, denn er steht noch am Anfang seiner Entwicklungsreise.

„Es sind nur wenige Kenner, die das große Potenzial hinter der manchmal fast abweisenden Art des Weines erkennen. Der Hermannsberg besitzt „hidden talents“, die sich erst mit der Reife offenbaren. Dann wird er unglaublich komplex und tief. Man verpasst die eigentliche Größe dieses Weines, wenn man ihn zu jung trinkt,“ erklärt Karsten Peter.

Ein weiteres VDP.Grosses Gewächs kommt nach längerer Reifezeit auf den Markt: Der Riesling von der Bastei darf zwei Jahre reifen.

Noch ein Zeit-Parameter: Alte Reben

Darüber hinaus werden für die GG Weine nur die Trauben von mehr als 30 Jahre alten Reben verwendet. Jüngere Reben werden für die Ortsweine (Vom Vulkan / Vom Schiefer) geerntet. Und die jüngsten Reben bringen die Trauben für den Gutswein „7 Terroirs“ hervor, der - wie der Name schon sagt - von den sieben Grossen Lagen geerntet wird.

Auf Basis der verschiedenen Lagen und Rebalter ergibt sich eine beeindruckende Riesling-Reife-Pyramide, die ganz der Ausdruckskraft der Weine gewidmet ist:

Hermannsberg

Einzellage GG

Fünf Jahre

Kupfergrube

Einzellage GG

Fünf Jahre

Bastei

Einzellage GG

Zwei Jahre

Rotenberg

Einzellage GG

12 Monate

Steinberg

Einzellage GG

12 Monate

Felsenberg

Einzellage GG

12 Monate

Vom Vulkan

Ortswein

8 Monate

Vom Schiefer

Ortswein

8 Monate

7 Terroirs

Gutswein (aus sieben GG)

8 Monate

„Wir hoffen, dass wir mit unserer Philosophie der Late Releases einen Beitrag leisten können zu einer gesteigerten Wertigkeit deutscher Rieslinge, und zwar sowohl in der Heimat als auch im Ausland.“, erklärt Jasper Reidel, der seit drei Jahren in der Geschäftsführung des Weinguts tätig ist. Gut Hermannsberg exportiert gut 50 % der Großen Gewächse in 30 Länder weltweit. „Das Ansehen des deutschen Rieslings ist nicht nur für uns elementar, sondern auch für alle Winzerkollegen, die in steilen kargen Lagen mit großem Einsatz und hohem Risiko einige der besten Weine der Welt produzieren.“

Zitate zu diesem Thema:

„Riesling war meine erste Liebe. Einige der reifsten Rieslinge, die ich verkosten durfte, waren über ein Jahrhundert alt und stammen aus den Weingütern Kloster Eberbach im Rheingau und Gut Hermannsberg an der Nahe. Eines kann ich Ihnen versichern; Säure stirbt nie, jedoch wird die Süße weniger deutlich.“ Marc Almert, ASI Best Sommelier of the World 2019. • „Die Probe Hermannsberg meets Bâtard Montrachet zeigte deutlich, dass der Hermannsberg heute (wieder) zu den ganz großen Rieslingen der Nahe zählt.“ Sascha Speicher, Chefredakteur Meiningers Sommelier Magazin • „In den letzten Wochen haben Karsten Peter und sein Team eine hervorragende Serie an 2020ern abgefüllt. Es ist die feinste Riesling-Kollektion seit der Übernahme. Die Rieslinge des Weingutes haben an Feinheit, Präzision und Eleganz gewonnen.“ Stephan Reinhardt, Robert Parker Wine Advocate

Über Gut Hermannsberg

Die ursprüngliche „Königlich-Preussische Weinbaudomäne“ wurde 1902 als staatlicher Musterbetrieb für Riesling angelegt und erbaut. Es beeindruckt mit seiner pittoresken Lage oberhalb des Flusses Nahe (1,5 h südwestlich von Frankfurt am Main). Die 30 Hektar Weinberge des geschichtsträchtigen Gutes sind allesamt als GROSSE.LAGEN klassifiziert (VDP). Je nach Bodenverhältnissen werden die mittlerweile sieben GGs unterschiedlich lang gereift, bevor sie auf den Markt kommen.

Gut Hermannsberg
Vormals Königlich-Preussische Weinbaudomäne
55585 Niederhausen
Deutschland

Gut Hermannsberg

Jasper Reidel, Achim Kirchner, Karsten Peter
Bettina Bäck von Wine+Partners
Bettina Bäck
Senior Projektmanagerin

Bettina ist seit 2000 bei Wine+Partners und hat bis heute unzählige Projekte im In- und Ausland betreut, darunter das alpine 5-Sterne-Hotel Post Lech, den steirischen Betrieb Muster.Gamlitz und das Weingut Kozlovič in Istrien. Derzeit betreut sie Weltmeister Sommelier Marc Almert, die Schweizer Wein-Institution Baur au Lac Vins, Zürichs Brasserie to be Baur's, das Marguita (Eröffnung im Sommer 2024), den steirischen Betriebe Weingut Langmann und die Rubin Carnuntum Weingüter.