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Erfolgsgeschichten Wein

Der lange Weg zur Identität: 30 Jahre Weinbaugebiet Carnuntum

von Bettina Bäck
The winegrowers from Carnuntum in front of the famous Heidenor
Die Winzer:innen aus Carnuntum vor dem berühmten Heidentor

Nachweislich ist der Weinbau im Osten Österreichs mehre Jahrtausende alt. Auch der Name Carnuntum existiert bereits seit mehr als zwei tausend Jahren. Bis aber beide zu einer eigenen Wein-Appellation namens Carnuntum zusammengefunden haben, dauerte es lange: 

Carnuntums zahlreiche Identitäten

Die Grenzen und die Namen von Weinbaugebieten werden im österreichischen Weinbaugesetz definiert. Bis 1971 war das heutige Carnuntum Teil des Weinbaugebietes Donauland. Dann kam es zu einer Umbenennung zu Traismauer-Carnuntum, von 1976 bis 1985 gehörte Carnuntum zum Weinbaugebiet Klosterneuburg und anschließend hieß es Donauland-Carnuntum. Erst 1993 wurde schließlich ein eigenes Weinbaugebiet Carnuntum festgelegt, das sich zwischen Wien und Bratislava erstreckt, und zwar südlich der Donau und nördlich der Leitha. Somit feiert die Appellation Carnuntum nun ihr 30-jähriges Jubiläum

Gemeinsame Initiative

Viel früher allerdings, also noch vor der offiziellen Bestätigung ihres Weinbaugebietes, haben sich die Winzer zusammengefunden, um gemeinsam ihre Herkunft zu unterstreichen. Schon 1987, in einer Zeit, als der Markt sehr leichte, säurebetonte Weißweine liebte, wurde der „Primus Carnuntum“ entwickelt: ein leichtfüßiger Grüner Veltliner, der noch im Herbst der Ernte auf den Markt kam. Die Zeit war reif für gemeinsame Initiativen: insgesamt beteiligten sich 70 (!) Weingüter aus Carnuntum an diesem Projekt. Eine Sensation.

Rotwein auf hohem Niveau

Schon bald aber wollte man aber vom Jungwein-Image und arbeitete gemeinsam an der Entwicklung eines anspruchsvollen Rotweines als neue Gebietsmarke. Der „Rubin Carnuntum“ kam erstmals aus 1992 auf den Markt. Für diesen Wein diskutierten die Produzenten im Gebiet Themen, die heute selbstverständlich scheinen, damals aber für viele revolutionär waren: Traubenausdünnung, Ernte bei maximaler Reife, Holzfasslagerung, einjährige Fassreife und vieles mehr. Ziel war ein Rotwein, der sich vom damals aktuellen Sortiment abheben sollte, den Fülle, Eleganz und hohe physiologische Reife auszeichnen sollten. 

Das ganze Gebiet sollte eingebunden werden, und somit einigte man sich auf die Sorte Zweigelt für diese neue Herkunftsmarke. (In den ersten Jahren war auch noch die Sorte Blaufränkisch dafür zugelassen). Die prächtige, leuchtende Farbe der Sorte führte zum Markennamen „Rubin“. 

Der Rubin Carnuntum war in den 90er Jahren der Top-Wein des Gebietes, und er entwickelte sich rasch zu einem Bestseller. Gleichzeitig haben aber die einzelnen Weingüter ihre Qualitätsschrauben immer weiter hochgedreht und immer neue und ehrgeizigere Weine auf den Markt gebracht.

So steht Rubin Carnuntum heute nicht mehr für den Top-Wein, sondern er ist das Flaggschiff des Gebietes:  jede 6. Flasche, die aus Carnuntum kommt, trägt den Namen Rubin auf dem Etikett.

Besinnung auf die eigenen Werte

Wollte man in den 90er und 00er Jahren noch beweisen, dass man in der Lage ist, Weine mit internationaler Stilistik zu produzieren, so kam es ab den 2010er Jahren zu einer Besinnung auf die eigenen Werte und zur Suche nach dem eigenen Profil des Gebietes. Mehrere Projekte trugen dazu bei. 

  • Am Spitzerberg bildete sich eine neue Initiative für Blaufränkisch auf höchstem Niveau. 

  • Im Arbesthaler Hügelland wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die den Zweigelt unter die Lupe nahm und mit vielen Experimenten sein Potential als Top-Sorte analysierte. 

  • In Zusammenarbeit mit dem Geologischen Institut wurde eine groß angelegte und tief gehende geologische Studie der verschiedenen Weinbergslagen in Carnuntum durchgeführt. Dabei wurden nicht nur Bodenstrukturen und deren geschichtlicher Ursprung erfasst, sondern auch die unterschiedliche Fähigkeit der Rieden, Wasser zu speichern, sich zu erwärmen und ihre Windexposition. Die präsentierten Parameter bestätigten die praktischen Erfahrungen der Winzer – vor allem aber brachten sie Erklärungen dafür. 

All dies führte zu einem Fokus auf die Einzellagen. Carnuntum war bis dahin stark von Cuvées mit Fantasienamen geprägt gewesen. Nun verlagerte sich die Aufmerksamkeit vom Keller in den Weinberg, und lagenreine Weine übernahmen das Spitzenfeld im Gebiet.

Der Schritt zu einem DAC (2019) und zum Beitritt zum Verein der Österreichischen Traditionweingüter (2018) war nun nur mehr ein kleiner und vor allem ein logischer.

Neun Einzellagen in Carnuntum wurden als Erste Lage klassifiziert und tragen seither das Zeichen 1ÖTW auf dem Etikett: Stuhlwerker, Schüttenberg, Rosenberg, Haidacker, Bärnreiser, Steinäcker, Aubühl, Kirchweingarten und Spitzerberg. 

Im Entwicklungsstadium sind gegenwärtig noch die Ortsweine. Derzeit definierte Ortsweine sind Stixneusiedl, Göttlesbrunn, Höflein, Petronell, Hainburg und Prellenkirchen. Hier scheint aber das letzte Wort noch nicht gesprochen, die Materie ist noch im Prozess.

Späte DAC Entscheidung

Dass Carnuntum erst 2019 seine eigene DAC (districtus austriae controllatus) Verordnungen definierte, lag an der großen Vielfalt im Gebiet und auch an der Tatsache, dass jeder Wein aus Carnuntum, der nicht das DAC Siegel tragen darf, in Folge „Niederösterreich“ als Herkunft auf dem Etikett stehen hat. Viele Weingüter sahen dies als Risiko, da Niederösterreich stets als Weißweingebiet betrachtet wurde. Mittlerweile allerdings haben sich sowohl die Wahrnehmung als auch die Bedingungen verschoben. Das Global Warming ist spürbar und merkbar. 

Klares Herkunftsprofil

In diesem Kontext hat Carnuntum mittlerweile seine Identität definiert. Die trockenen und sehr windreichen Bedingungen zwischen Alpen und Karpaten sind für die Kernigkeit und die Frische verantwortlich, die Weine aus Carnuntum auszeichnen. Das Klima ist extrem kontinental, mit großen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht, ohne Einflüsse des moderierenden Neusiedlersees. Die Nähe der Donauauen unterstreicht den Frischefaktor noch mehr. Für die Rotweine mit Herkunft Carnuntum sind zwar auch internationale Sorten zugelassen, aber nur als kleiner Partner in Cuvées. Nur die regionalen Sorten Blaufränkisch und Zweigelt sind können reinsortig abgefüllt werden, in Cuvées müssen sie mit 2/3 dominieren. Bei Weissweinen gilt das gleiche für Burgundersorten und Grünen Veltliner.

All diese Entwicklungsschritte und ihre gemeinsame rasante Qualitätskurve konnten die Carnuntum Weingüter nur deshalb so klug und rasch umsetzen, weil sie intensiv zusammenarbeiten und sich ständig austauschen. In einem monatlichen Jour Fixe treffen einander die Weingüter und diskutieren Strategien und die nächsten Schritte. Weine werden gemeinsam verkostet, analysiert und beurteilt. Gemeinsame Projekte werden abgewogen, beschlossen und gemeinsam durchgeführt.  

Nahezu jede/r Winzer:in weiss über alle anderen Weingüter im Gebiet und über deren Weine Bescheid. Dieser Zusammenhalt ist außergewöhnlich und in vielen anderen Gebieten undenkbar. In Carnuntum versucht man, die Bedürfnisse und Erwartungen aller Mitglieder zu berücksichtigen – von kleinen Heurigenbetrieben bis hin zu großen Weingütern, die sehr stark im Export sind. 

Carnuntum lehren

Die jüngste gemeinsame Initiative entstand aus den Erfahrungswerten der Pandemie. 

In dieser Zeit führten die Carnuntiner online zahlreiche Events durch, unter anderem auch eine Carnuntum Experience als Ersatz für die gestrichene Prowein. Der Erfolg war groß und beeindruckend, da Händler und Importeure aus aller Welt daran teilnahmen. Das Projekt wurde nun professionalisiert, und es finden regelmäßige Fachverkostungen mit Experten aus dem In- und Ausland statt, die jeweils ein Fachthema von Carnuntum mit Fach-Kollegen diskutieren. Unter der Bezeichnung „Carnuntum Academy“ haben diese Verkostungen Schule gemacht und soviel Begehrlichkeiten hervorgerufen, dass mittlerweile auch Degustationen und Events für Konsument:innen unter der Bezeichnung Carnuntum Academy angeboten werden. 

Das Ziel ist, Kenntnisse und Erfahrungen über die Weine aus Carnuntum in die verschiedenen Zielgruppen in aller Welt zu bringen. Edutainment in seiner schönsten Form.

Logisch: Bio

Ein weiterer Schwerpunkt in der Entwicklung von Carnuntum ist die nachhaltige und biologische Arbeitsweise. Mit 2023 sind bereits 230 Hektar – also etwas mehr als 40% der Weinberge von Carnuntum in biologischer Bewirtschaftung. Weitere neun Weingüter sind nachhaltig zertifiziert. Das Ziel von Carnuntum ist es, bis 2028 vollständig biologisch zertifiziert zu sein.

Carnuntum organic vineyard
Carnuntum organic vineyard © Anna Stöcher

Fit für die Zukunft - mit Frauen 

Die Voraussetzungen dafür sind günstig, vor allem, weil viele Betriebe gerade im Generationenwechsel begriffen sind. Hier erkennt man eine weitere Tendenz, die Carnuntum außergewöhnlich macht:  Es sind besonders viele Frauen, die in Carnuntum das Ruder übernehmen. Schätzungen zufolge werden in Kürze knapp 40% der Weinberge in Carnuntum von Frauen bewirtschaftet werden. Sechs von zehn Flaschen, die in Carnuntum produziert werden, kommen aus Weingütern, die von Frauen geleitet werden. 

Das Gebiet scheint also sein Profil gefunden zu haben: es ist biologisch, frisch-elegant – und weiblich.

The Carnuntum women power
The Carnuntum women power © Anna Stöcher
Über Rubin Carnuntum Weingüter

Die Rubin Carnuntum Weingüter sind 37 Winzer:innen des österreichischen Weinbaugebiets Carnuntum, die sich bereits 1986 zusammengeschlossen haben. Gemeinsam erarbeitet sie seitdem in penibler Fleißarbeit die geologischen und klimatischen Besonderheiten ihres Gebiets. 2019 definierten sie aufgrund dieser Untersuchungen den Carnuntum DAC. Ein Jahr zuvor, 2018, trat der Verein der Rubin Carnuntum Weingüter mit 20 Mitgliedern den Österreichischen Traditionsweingütern (ÖTW) bei.

Rubin Carnuntum Weingüter
Fischamender Straße 12/3
2460 Bruck an der Leitha

Rubin Carnuntum Weingüter

Carnuntum Weinbauregion

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Bettina Bäck von Wine+Partners
Bettina Bäck
Senior Projektmanagerin

Bettina ist seit 2002 bei Wine+Partners und hat bis heute unzählige Projekte im In- und Ausland betreut. Derzeit betreut sie Weltmeister Sommelier Marc Almert, den kulinarischen Think Tank Koch.Campus, die steirischen Betriebe Weingut Muster.Gamlitz, Weingut Langmann und die STK Weingüter, das alpine 5-Sterne-Hotel Post Lech und das Weingut Kozlović in Istrien.

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