Was ist geschehen?
Die Mitglieder des Koch.Campus und ausgewählte Geschmacks-Experten, in Summe 60 routinierte Verkoster (unter anderem die Haubenköche Heinz Reitbauer, Richard Rauch, Andreas Döllerer und Thomas Dorfer) verarbeiteten, verkosteten und bewerteten jeweils das Fleisch von drei unkonventionellen Rinderkreuzungen und einem reinrassigen Grauvieh des Ötztaler Züchters Michael Wilhelm. Herausarbeiten wollten die Experten, welche Rinderrassen das qualitativ hochwertigste Fleisch liefern, ob bestimmte Kreuzungen neues Potential liefern und wie weit das Alter der Tiere relevant ist.
Das Ergebnis: eine Sensation
Viele der Köche beurteilten als geschmacklich am spannendsten, was am Markt schlechte Karten hat: Das Fleisch von älteren Tieren. Nahezu vier Jahre waren zwei der Rinder von Michael Wilhelm alt, ihr Fleisch erhielt die höchsten Noten. Während sie herkömmlicherweise nur noch als Wurstware verwendet werden. „Hier ist ein Umdenken notwendig“ fordert der Züchter. „Die schnelle Mast ist ein Ergebnis der industriellen Fleischproduktion. Langsam wachsende Tiere bringen aber viel mehr Geschmack“.
Eine weitere Sensation ist die hohe Bewertung des Stierfleisches. „Das magere Fleisch des vierjährigen Stieres ist die billigste Kategorie im Markt, fast ein Abfallprodukt. Dabei kann ein älterer Stier, mit der richtigen Genetik von alten Rassen und bei artgerechter Haltung, großartigen Geschmack liefern, wie unser Test beweist.“
Die meisten Züchter in Österreich konzentrieren sich auf Fleckvieh und versuchen, möglichst viel Fleisch von jungen Kalbinnen und jungen Stieren zu produzieren, da dies den höchsten Preis erzielt. Die Expertise des Koch.Campus reiht dieses Fleisch aber auf den letzten Platz in Sachen Geschmack.
Die NGOs für die Weiterentwicklung der österreichischen Kulinarik
Das geballte fachliche Feedback des Koch.Campus ist eine unschätzbar wertvolle Information für den Produzenten Michael Wilhelm und seine weitere Vorgehensweise in der Züchtung. „Es gibt so viele spannende Rassen und Kreuzungen“, sagt Michael Wilhelm und ergänzt: „darum ist die Beurteilung von Köchen zu Qualität und Geschmack von größter Wichtigkeit für mich“. Die Köche wiederum hatten in dieser Verkostung die Möglichkeit, das passende Fleisch für ihre individuelle Rindfleischküche zu finden - und genau das ist die Essenz des Koch.Campus: Köche und landwirtschaftliche Produzenten führen ihre Expertisen zusammen und erreichen damit eine qualitative Weiterentwicklung für alle Beteiligten.
Wo bekommt man als Konsument das beste Rindfleisch?
Rindfleisch ist ein Klassiker der österreichischen Küche. Durch die immer noch kleinstrukturierte Landwirtschaft kann Österreich im Bereich der kleinen Produzenten eine breite Palette an Rindfleisch anbieten, das sich unter anderem durch Rasse, Haltung, verschiedene Höhenlagen, Fütterung, Alter, Geschlecht, etc. unterscheidet – eine spannende Vielfalt, die aber für Handelsunternehmen mit großer Logistik nicht interessant ist. Die Empfehlung des Koch.Campus für Konsumenten: Suchen Sie nach Direktvermarktern in Ihrer Umgebung – ganz bestimmt finden Sie kleine, ambitionierte Landwirte mit Produkten von höchster Qualität.
Sechs Jahre Vorbereitungen für die Rindfleisch-Challenge
„Rinderflüsterer“ Michael Wilhelm (Alpin Manufaktur Wilhelm in Sölden) hat in den Jahren 2015, 2016 und 2017 in Summe drei unkonventionelle Rinderkreuzungen vorgenommen. Die drei gekreuzten Kälber und auch das reinrassige Grauvieh sind in Mutterkuhhaltung aufgewachsen und verbrachten so viel Zeit wie möglich im Freien. Die Sommer über weideten die Tiere mit ihrer Herde, unter der fürsorglichen Aufsicht ihres Züchters, durchgehend im Ötztaler Hochgebirge, wo die Rinder, so wie es ihrem Naturell entspricht, bis gut 2.600 Meter hinaufwanderten und sich frei in der Natur bewegten. Rind 1 und 2 verbrachten die Winter im Stall von Michael Wilhelm in Sölden. Rind 3 und 4 überwinterten im Stall ihres Züchters Werner Riml, ebenfalls in Sölden. Die Tiere wurden selbstredend nicht gemästet, sondern ausschließlich mit Grundfutter gefüttert. Dadurch konnten die Rinder langsam und mit viel Bewegung heranwachsen, wodurch sie feines, intermuskuläres Fett und eine hohe Aromendichte entwickeln konnten.
Alle vier Rinder waren kleinramig mit guter Bemuskelung. Der Stier unter den Rindern (Tier 1) wies sogar eine sehr ausgeprägte und trotzdem feinfasrige Bemuskelung auf. Die Tiere wurden am 18. Dezember 2020 von Michael in einer kleinen bäuerlichen Metzgerei geschlachtet. Nachdem die Schlachtkörper langsam abkühlen konnten, was die Zartheit des Fleisches sicherstellt, wurden sie geviertelt und am 21. Dezember 2020 im Reiferaum aufgehängt, um bei einer Temperatur von 2 – 3 C° zu reifen. Am 17. und 18. Jänner 2021 wurden die Viertel zerlegt und vakuumiert. Am Montag dem 19. Jänner schickte Michael Wilhelm jedem Teilnehmer der Rindfleisch-Challenge ca. 4. kg Fleisch, und zwar von jedem Tier das genau gleiche Teil. Die Teile waren farbig markiert – für ein objektives Ergebnis mussten die Verkoster blind beurteilen. Jeder Teilnehmer verarbeitete, dem Cut entsprechend, alle vier Teile gleich und beurteilte diese nach einem vorgegebenen Fragebogen.