Login
Kulinarik

Koch.Campus liefert Rindfleisch Sensation

von Bettina Bäck
Michael Wilhelm und Andreas Döllerer

„Der Markt wird der Qualität des Österreichischen Rindfleisches nicht gerecht“, resümiert foodtrend-Forscherin und Koch.Campus-Mitglied Hanni Rützler, tief beeindruckt von den kürzlich verkosteten Rindfleisch-Qualitäten. „Wir müssen mit dem Österreichischen Rindfleisch einen bewussteren und wertschätzenderen Umgang finden“, ergänzt sie vehement. „Das Ergebnis ist eine Sensation, es steht völlig konträr zum Weltmarkt“ fügt Rinderzüchter Michael Wilhelm hinzu, ebenfalls Koch.Campus-Mitglied der ersten Stunde.

Was ist geschehen?

Die Mitglieder des Koch.Campus und ausgewählte Geschmacks-Experten, in Summe 60 routinierte Verkoster (unter anderem die Haubenköche Heinz Reitbauer, Richard Rauch, Andreas Döllerer und Thomas Dorfer) verarbeiteten, verkosteten und bewerteten jeweils das Fleisch von drei unkonventionellen Rinderkreuzungen und einem reinrassigen Grauvieh des Ötztaler Züchters Michael Wilhelm. Herausarbeiten wollten die Experten, welche Rinderrassen das qualitativ hochwertigste Fleisch liefern, ob bestimmte Kreuzungen neues Potential liefern und wie weit das Alter der Tiere relevant ist. Das Ergebnis: eine Sensation

Viele der Köche beurteilten als geschmacklich am spannendsten, was am Markt schlechte Karten hat: Das Fleisch von älteren Tieren. Nahezu vier Jahre waren zwei der Rinder von Michael Wilhelm alt, ihr Fleisch erhielt die höchsten Noten. Während sie herkömmlicherweise nur noch als Wurstware verwendet werden. „Hier ist ein Umdenken notwendig“ fordert der Züchter. „Die schnelle Mast ist ein Ergebnis der industriellen Fleischproduktion. Langsam wachsende Tiere bringen aber viel mehr Geschmack“. Eine weitere Sensation ist die hohe Bewertung des Stierfleisches. „Das magere Fleisch des vierjährigen Stieres ist die billigste Kategorie im Markt, fast ein Abfallprodukt. Dabei kann ein älterer Stier, mit der richtigen Genetik von alten Rassen und bei artgerechter Haltung, großartigen Geschmack liefern, wie unser Test beweist.“ Die meisten Züchter in Österreich konzentrieren sich auf Fleckvieh und versuchen, möglichst viel Fleisch von jungen Kalbinnen und jungen Stieren zu produzieren, da dies den höchsten Preis erzielt. Die Expertise des Koch.Campus reiht dieses Fleisch aber auf den letzten Platz in Sachen Geschmack.

Die NGOs für die Weiterentwicklung der österreichischen Kulinarik

Das geballte fachliche Feedback des Koch.Campus ist eine unschätzbar wertvolle Information für den Produzenten Michael Wilhelm und seine weitere Vorgehensweise in der Züchtung. „Es gibt so viele spannende Rassen und Kreuzungen“, sagt Michael Wilhelm und ergänzt: „darum ist die Beurteilung von Köchen zu Qualität und Geschmack von größter Wichtigkeit für mich“. Die Köche wiederum hatten in dieser Verkostung die Möglichkeit, das passende Fleisch für ihre individuelle Rindfleischküche zu finden - und genau das ist die Essenz des Koch.Campus: Köche und landwirtschaftliche Produzenten führen ihre Expertisen zusammen und erreichen damit eine qualitative Weiterentwicklung für alle Beteiligten. Wo bekommt man als Konsument das beste Rindfleisch?

Rindfleisch ist ein Klassiker der österreichischen Küche. Durch die immer noch kleinstrukturierte Landwirtschaft kann Österreich im Bereich der kleinen Produzenten eine breite Palette an Rindfleisch anbieten, das sich unter anderem durch Rasse, Haltung, verschiedene Höhenlagen, Fütterung, Alter, Geschlecht, etc. unterscheidet – eine spannende Vielfalt, die aber für Handelsunternehmen mit großer Logistik nicht interessant ist. Die Empfehlung des Koch.Campus für Konsumenten: Suchen Sie nach Direktvermarktern in Ihrer Umgebung – ganz bestimmt finden Sie kleine, ambitionierte Landwirte mit Produkten von höchster Qualität.

Sechs Jahre Vorbereitungen für die Rindfleisch-Challenge

„Rinderflüsterer“ Michael Wilhelm (Alpin Manufaktur Wilhelm in Sölden) hat in den Jahren 2015, 2016 und 2017 in Summe drei unkonventionelle Rinderkreuzungen vorgenommen. Die drei gekreuzten Kälber und auch das reinrassige Grauvieh sind in Mutterkuhhaltung aufgewachsen und verbrachten so viel Zeit wie möglich im Freien. Die Sommer über weideten die Tiere mit ihrer Herde, unter der fürsorglichen Aufsicht ihres Züchters, durchgehend im Ötztaler Hochgebirge, wo die Rinder, so wie es ihrem Naturell entspricht, bis gut 2.600 Meter hinaufwanderten und sich frei in der Natur bewegten. Rind 1 und 2 verbrachten die Winter im Stall von Michael Wilhelm in Sölden. Rind 3 und 4 überwinterten im Stall ihres Züchters Werner Riml, ebenfalls in Sölden. Die Tiere wurden selbstredend nicht gemästet, sondern ausschließlich mit Grundfutter gefüttert. Dadurch konnten die Rinder langsam und mit viel Bewegung heranwachsen, wodurch sie feines, intermuskuläres Fett und eine hohe Aromendichte entwickeln konnten. Alle vier Rinder waren kleinramig mit guter Bemuskelung. Der Stier unter den Rindern (Tier 1) wies sogar eine sehr ausgeprägte und trotzdem feinfasrige Bemuskelung auf. Die Tiere wurden am 18. Dezember 2020 von Michael in einer kleinen bäuerlichen Metzgerei geschlachtet. Nachdem die Schlachtkörper langsam abkühlen konnten, was die Zartheit des Fleisches sicherstellt, wurden sie geviertelt und am 21. Dezember 2020 im Reiferaum aufgehängt, um bei einer Temperatur von 2 – 3 C° zu reifen. Am 17. und 18. Jänner 2021 wurden die Viertel zerlegt und vakuumiert. Am Montag dem 19. Jänner schickte Michael Wilhelm jedem Teilnehmer der Rindfleisch-Challenge ca. 4. kg Fleisch, und zwar von jedem Tier das genau gleiche Teil. Die Teile waren farbig markiert – für ein objektives Ergebnis mussten die Verkoster blind beurteilen. Jeder Teilnehmer verarbeitete, dem Cut entsprechend, alle vier Teile gleich und beurteilte diese nach einem vorgegebenen Fragebogen.

Über den Koch.Campus

Unter der Bezeichnung „Koch.Campus“ haben sich mehr als 30 Spitzen-Köche und fast ebenso viele landwirtschaftliche und gewerbliche Pionier-Produzenten, Hoteliers und Food-Experten aus ganz Österreich zusammengeschlossen. Als Obmänner der 58 Mitglieder starken Task Force des guten Geschmacks fungieren Hans Reisetbauer und Andreas Döllerer. Intention des Vereins ist der Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Köchen und den Produzenten und die gemeinsame Erforschung und Entwicklung von regionalen Grundprodukten. Die österreichische Küche zeitgemäß zu interpretieren und auf Basis von heimischen Grundprodukten international anspruchsvoll zu positionieren, ist ein weiteres Ziel der Aktivitäten des Koch.Campus. In fachlichen Workshops, Verkostungen, Vorträgen, Exkursionen und Diskussionen setzen sich die Mitglieder des Koch.Campus mit heimischen Grundprodukten auseinander und evaluieren deren Qualitätspotential auf Basis von unterschiedlichen Arten und Rassen, Kultivierungs- und Aufzuchtvarianten, Alters- und Reifestufen sowie Zubereitungsmethoden.

Koch.Campus
Markt 56
5440 Golling

Koch.Campus

Koch.Campus Gruppenfoto
Bettina Bäck von Wine+Partners
Bettina Bäck
Senior Projektmanagerin

Bettina ist seit 2002 bei Wine+Partners und hat bis heute unzählige Projekte im In- und Ausland betreut. Derzeit betreut sie Weltmeister Sommelier Marc Almert, den kulinarischen Think Tank Koch.Campus, die steirischen Betriebe Weingut Muster.Gamlitz, Weingut Langmann und die STK Weingüter, das alpine 5-Sterne-Hotel Post Lech und das Weingut Kozlović in Istrien.

Was es sonst Neues gibt?