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Premiere für den ersten nachhaltig zertifizierten Jahrgang der Vinea Wachau

von Katharina Gessl
Ried Kellerberg

Wenn am 4. und 5. Mai mehr als 100 Weingüter ihre Tore öffnen und zum Wachauer Weinfrühling einladen, ist dies nicht nur der bereits traditionelle Auftakt ins neue Weinjahr. Es ist heuer vielmehr ein Meilenstein in der Vereinsgeschichte der Vinea Wachau, dem Gebietsschutzverband der Wachau. Denn mit dem Jahrgang 2023, der nun auf den Markt kommt, sind sämtliche Weine der Kategorien Steinfeder®, Federspiel® und Smaragd® „Nachhaltig Austria“ zertifiziert. Neben der Handlese, dem Verzicht auf Aufbesserung und der Herkunftsgarantie zählt ab sofort somit auch die nachhaltige Wirtschaftsweise zu den gemeinsamen Grundwerten aller Mitgliedsbetriebe. 

Vorreiterrolle der Wachau 

Rund 1.300 Hektar Rebfläche, viele davon in steilen Steinterrassen, wurden in den vergangenen drei Jahren in einem gemeinschaftlichen Prozess der Zertifizierung unterzogen. Die Wachau ist damit das erste und einzige Weinbaugebiet Österreichs, das praktisch vollständig nachhaltig arbeitet. Einmal mehr stellt die Wachau so ihre Vorreiterrolle für langfristige Konzepte im österreichischen Weinbau unter Beweis. Und das ist nicht das erste große Projekt im Zeichen der Nachhaltigkeit. Bereits seit vielen Jahren wird in der Wachau der Traubenwickler flächendeckend biologisch bekämpft, wodurch auf den Insektizideinsatz verzichtet werden kann. „Auch das ist einzigartig in der österreichischen Weinlandschaft“, so Leo Alzinger, Vorstandsmitglied der Vinea Wachau.  

Steinterasse
© Pamela Schmatz

Während die aufwändige Arbeit in den Steilhängen für die meisten Winzer:innen zum täglichen Leben gehört, war es der bürokratische Aufwand, der vielen als Hürde erschien. „Sämtliche Arbeitsschritte müssen aufgezeichnet und dokumentiert werden, gerade in den kleinteiligen Weinparzellen ist das aufwändig. Hier haben wir als Verein viel Unterstützung angeboten. Andererseits ist der hohe Anteil an Handarbeit in den Terrassen von vornherein sehr biodiversitätsfördernd und ressourcenschonend“, erklärt Emmerich H. Knoll, Obmann der Vinea Wachau.  

Gesamtheitliches Denken 

Fast wichtiger als die Zertifizierung selbst sei es nämlich, dass die Winzer:innen zu einem gesamtheitlichen Denken inspiriert werden, um die Stellung der Wachau als Leitregion auch in herausfordernden Zeiten zu festigen. „Das Verständnis für den Gesamtabdruck eines Betriebes sowie der ganzen Region zu entwickeln, war eine spannende Aufgabe. Durch die vielfältigen Betriebsstrukturen – von Traubenproduzent:innen und Nebenerwerbswinzer:innen bis hin zur Domäne Wachau –  gab es ganz individuelle Herausforderungen. Dass wir in drei Jahren so viele Winzer:innen überzeugt haben, macht uns stolz“, freut sich Emmerich H. Knoll.

So wurde – ebenfalls erstmalig – ein Biodiversitätsbericht für ein Weinbaugebiet erstellt.  Dieser analysiert Zusammenhänge zwischen Kulturlandschaft, Tier- und Pflanzenwelt sowie der Bewirtschaftung und gibt den Hauer:innen maßgeschneiderte Empfehlungen. Diese beziehen sich etwa auf die Förderung von Nützlingen wie Insekten oder Vögel, die Eindämmung invasiver Pflanzenarten, die Unterstützung des Humusaufbaus und die Verhinderung der Erosion.    

Zur Biodiversitätsoffensive zählen unter anderem folgende Maßnahmen:  

  • Das Verwirren der Traubenwickler  

  • Das Aufstellen von Greifvogelstangen und Nistkästen für seltene Vogelarten  

  • Das Unterstock-Begrünungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Domäne Wachau und zehn weiteren Winzer:innen  

  • Seminare zu umweltsensiblen Themen im Rahmen des Weiterbildungsprogramms „Wachauer Qualitätsoffensive“

Alle Details und vertiefende Informationen sind im Bericht von Mag. Hannes Seehofer, dem Naturschutzbeauftragten der Wachau, nachlesbar.

Außenaufnahme
© Pamela Schmatz

Wachauer Weinfrühling mit VDP-Gastwinzer:innen 

Präsentiert werden die Weine des Jahrgangs 2023 zum Wachauer Weinfrühling am 4. und 5. Mai 2024 jeweils von 10 bis 18 Uhr. Mehr als 100 Weingüter öffnen ihre Kellertüren und zeigen die Weine des aktuellen Jahrgangs.  Deutsche VDP-Winzer:innen aus den Weinbaugebieten Mosel, Nahe und Rheingau runden das Verkostungsangebot mit ihren Weinen ab. 

Am Samstag, 4. Mai lockt die mittlerweile legendäre Steinfeder Night ins Schloss Spitz. In der gesamten Wachau haben darüber hinaus viele Heurige sowie Restaurants geöffnet und bieten mit kulinarischen Specials ein köstliches Rahmenprogramm zum Wachauer Weinfrühling 2024. 

Für einen nachhaltigen Transfer der Gäste wurde ein umfassendes Verkehrskonzept für die Veranstaltung entwickelt. Busse verkehren im 30 Minuten-Rhythmus auf beiden Seiten der Donau, die Donaufähren ermöglichen die Flussquerung, die Wachaubahn bringt die Weinliebhaber:innen ins Gebiet. Die Nutzung aller Shuttles ist mit dem Weinfrühling-Band kostenlos.  

Vorverkauf gestartet

Ab sofort sind die Eintrittsbänder (Verkostungsbeitrag € 30,–) direkt auf der Website der Vinea Wachau erhältlich. Selbstverständlich können diese auch am Weinfrühlingwochenende bei den teilnehmenden Betrieben und auch bei den Infostellen in Krems und Melk sowie bei den Verkehrsbetrieben gekauft werden.  

Mehr zur Zertifizierung: „Nachhaltig Austria“

Wachau = Nachhaltig

Was bedeutet „nachhaltig“ zertifiziert eigentlich?

Eine öffentliche Zertifizierungsstelle kontrolliert die Wirtschaftsweise eines Betriebes. Der Prozess dauert mindestens ein Jahr und umfasst alle Arbeiten im Weingarten und im Keller. Dabei wird nicht nur auf ökologische Arbeitsweise geachtet, sondern es werden auch soziale und ökonomische Parameter kontrolliert. 

Was ist der Vorteil einer solchen Zertifizierung für einen Betrieb oder eine Region?

Zunächst ist die Zertifizierung eine Garantie für Konsument:innen, dass dieser Wein ethisch produziert wurde und dass weder Umwelt noch Mitarbeiter:innen ausgebeutet wurden. Mehrere Weinbauländer haben deswegen in den vergangenen Jahren Nachhaltigkeitszertifizierungen entwickelt. Auch der Handel, der Fachhandel und die Gastronomie können zertifizierte Weine mit gutem Gewissen anbieten.  

Wieviele Weingüter wurden zertifiziert?

Sämtliche Flaschenfüller und ihre Traubenlieferanten haben sich dem Zertifizierungsprozess unterzogen, mit Ausnahme der kleinsten Mitgliedsbetriebe mit sehr geringer Produktionsmenge, für die nur die Traubenzertifizierung umzusetzen war. Proaktiv zertifiziert sind daher mehr als 150 Weingüter aus der Wachau.

Sind bereits alle Weine des Jahrgang 2023 zertifiziert?

Ja, alle Wachauer Weine, die eine der drei Kategorien der Vinea tragen (Steinfeder, Federspiel, Smaragd) sind nachhaltig zertifiziert. Die Zertifizierung ist seit dem Jahrgang 2023 eine der verpflichtenden Bedingungen für Weine der Vinea – gemeinsam mit dem Aufbesserungsverbot, der Handlese und der Herkunftsgarantie.

Was ist der Unterschied zu „biologisch“ zertifiziert?

Die organisch-biologische Zertifizierung konzentriert sich auf die Bodenbearbeitung sowie auf den Einsatz von erlaubten Produkten im Pflanzenschutz. Bei der nachhaltigen Zertifizierung sind auch Elemente wie Kraftstoffverbrauch, Bodenverdichtung, Energieverbrauch, Abfallvermeidung oder soziale Parameter wie Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter:innen enthalten.  

Was ist strenger: „Biologisch“ oder „Nachhaltig“?

Das kann man nicht eindeutig beantworten. Die biologische Wirtschaftsweise ist strenger in Bezug auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, dafür ist „nachhaltig“ strenger im Umgang mit Ressourcen.  

Warum hat sich die Vinea Wachau für „nachhaltig“ entschieden und nicht für „biologisch“?

Viele Betriebe in der Wachau sind bereits biologisch zertifiziert. Manche (Weinbau-)Orte (Rossatz) sind diesbezüglich absolute Vorreiter in Österreich. Für die Vinea Wachau war es allerdings wichtig, alle Betriebe – auch kleine Nebenerwerbsbetriebe – in den Zertifizierungsprozess mitzunehmen. Es ging in erster Linie darum, eine gesamtheitliche Sicht in den Weinbau zu bringen: zum Beispiel die Zusammenhänge zwischen Traktordurchfahrten und der Vielfalt an Bodenorganismen, oder zwischen der Diversität von Gräsern und der Vielfalt von Nützlingen. Bevor man sich einer biologischen Rezeptur anschließt, sollte man das komplexe Zusammenspiel der Natur verstehen und den eigenen Beitrag dazu erkennen.  

Unabhängig von der nachhaltigen Zertifizierung läuft im Hintergrund auch ein Projekt einer biologischen Zertifizierung.

Was sind die Herausforderungen für eine nachhaltige Zertifizierung?

Viele Weingüter arbeiten seit ewigen Zeiten nachhaltig, aber für eine Zertifizierung muss man die Beweise dafür erbringen. Es sind also Aufzeichnungen und Dokumentationen erforderlich, die für so manchen Winzer:innen bürokratischen Zeitaufwand bedeuten. Gleichzeitig bringen einem diese Aufzeichnungen aber auch wertvolle Informationen. Sie führen zum Beispiel nachdrücklich vor Augen, welche zahlreichen Arbeitsschritte man leistet und wie viele Arbeitsstunden für jede Flasche Wein investiert werden.  

Wie konnte es die Wachau so schnell schaffen, alle Betriebe vom Zertifizierungsprozess zu überzeugen?

Die Wachau ist ein recht kleines Weinbaugebiet mit kleinen Strukturen. Die Mitgliedsbetriebe der Vinea Wachau verpflichten sich seit mehr als 40 Jahren dazu, ausschließlich Trauben aus der Wachau zu verarbeiten. Die Abfüller:innen sind also auf die Traubenlieferant:innen im Gebiet angewiesen – und umgekehrt. Diese engmaschige Verzahnung führt seit Jahrzehnten zu einer gut funktionierenden Zusammenarbeit mit starken Playern auf beiden Seiten. Besondere Bedeutung erhält in diesem Zusammenhang die Domäne Wachau. Der Ertrag von mehr als 400 Hektar Wachauer Rebfläche wird hier abgeliefert. Die Domäne Wachau gilt weltweit als eine Vorzeige-Genossenschaft, nicht nur für ihre Qualität, sondern auch wegen der hervorragenden Zusammenarbeit mit den Mitgliedern.  

Warum ist die Kulturlandschaft der Wachau von Vorteil für die Zertifizierung?

Die nachhaltige Zertifizierung umfasst eine ganze Reihe von Feldern in den Nachhaltigkeitskategorien: Klima, Boden, Wasser, Energie, Biodiversität, Material, Qualität, Soziales und Ökonomie.  

Da es um eine gesamtheitliche Betrachtung des Arbeitens und Wirtschaftens geht, werden je nach Arbeitsschritt in jedem Bereich unterschiedliche Punkte vergeben. Einen großen Anteil macht zum Beispiel die Verbrennung von Treibstoff aus, die bei Traktordurchfahrten (Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz) anfallen. Da die Wachauer Weinreben mehrheitlich auf steilen schmalen Terrassen wachsen, auf denen nur Handarbeit möglich ist, bringt dieser Bereich schon von Natur aus besonders viele „Gutpunkte“ für die Weingüter.

Warum ist die Wachau das erste Weinbaugebiet Österreichs, das nachhaltig zertifiziert ist?

Mit 1300 Hektar ist die Wachau eines der kleineren Gebiete in Österreich. Wobei aber der größte Vorteil für die rasche Umsetzung eher in der engmaschigen Zusammenarbeit der Betriebe liegt. Zahlreiche Projekte wurden in den vergangenen Jahren gemeinsam umgesetzt, sodass es hier schon gut eingespielte und funktionierende Prozesse gibt. Das war auch für die Nachhaltigkeitszertifizierung von großem Vorteil.  

Gibt es weltweit ein anderes Gebiet, das schon gesamtheitlich zertifiziert ist?

Schwierig zu beantworten, denn es gibt kein internationales Verzeichnis dafür. In Österreich ist die Wachau das erste Gebiet – sie könnte aber sogar weltweit die erste zertifizierte Weinbauregion sein. 

Katharina Gessl von Wine+Partners
Katharina Gessl
Projektmanagerin

Nach einem Bachelor in International Wine Business sowie einem Master in Content & Media Strategy in den Niederlanden, sammelte Katharina Erfahrungen bei den Medienagenten und der Vinea Wachau, und ist seit Anfang 2022 im Wine+Partners Team. Die aus einem Familienweingut im Herzen des Retzerlandes stammende Sommelière, ist gerade an ihrem zweiten Master in Weinbau & Önologie dran. Mit einer Selbstverständlichkeit was den Wein betrifft, betreut sie die Douro Boys und Aux Bulles.