Katja Scharnagl: „Wein soll Spaß machen“
Die Spitzen-Sommelière Katja Scharnagl arbeitete lange Zeit bei Aldo Sohm im legendären Le Bernardin, heute ist sie Beverage Director im Restaurant Koloman in New York City. Im Interview verrät die gebürtige Wachauerin, warum der Big Apple eine DER Wein-Metropolen schlechthin ist, was es braucht, um dort erfolgreich zu sein, warum die Sommellerie sich selbst nicht so ernst nehmen sollte und was sie am liebsten zu Wiener Schnitzel und Kaiserschmarrn trinkt.
„It is still true – if you can make it in NCY you can make it anywhere …”, sagt Katja Scharnagl und sie selbst ist eine, die es in New York City „geschafft“ hat. Denn die junge Frau, die ursprünglich aus der Wachau stammt, ist wohl eine der besten Sommelières und ambitioniertesten Weinexpert:innen, die der Big Apple aktuell zu bieten hat. Rund zehn Jahre lang arbeitete sie an der Seite von Aldo Sohm im legendären Le Bernardin, zuletzt als Chef Sommelière. Mitte 2022 avancierte sie dann zur Beverage Director im Restaurant Koloman.
Magische Momente
Fragt man Katja Scharnagl nach den Wein-Highlights ihrer beeindruckenden Karriere, sagt sie nur: „Oh boy! Das sind zu viele, um die aufzuzählen …“ Ihr Anspruch ist es, den Wein zu finden, den ihre Gäste in einem bestimmten Zeitpunkt genießen wollen. „Wenn der Wein genau der Erwartungshaltung des Gastes entspricht, dann ist das magic!“ Und dann sei es auch völlig belanglos, wo der Wein herkommt oder was er kostet, denn es gehe immer um das Gesamterlebnis des Gastes.
Das ist auch ihr Bestreben im Restaurant Koloman, in dem Spitzenkoch Markus Glockner – ebenfalls gebürtiger Österreicher – seine viel beachtete französische Küche mit starkem Österreich-Bezug auf die Teller bringt. „Markus und ich haben eine klare Vorstellung von der Weinkarte: Frankreich, Österreich und ein wenig US. Der Wein muss gut sein, Sinn machen und nach einem Jahr können wir auch schon gut abschätzen, was sich gut verkauft.“ Um im Koloman gelistet zu werden, braucht es natürlich einen Importeur in New York City aber das alleine reicht nicht. Für Scharnagl stellt sich auch die Frage: „Kann ich meine Mitarbeiter:innen für den Wein begeistern, damit sie diesen auch verkaufen?“
„Für mich muss eine Weinkarte lebendig sein und für jeden etwas bieten. Auch Weine, die der Gast ohne Sommelier oder Sommelière bestellen kann.“
Die Themen Natural Wines und Nachhaltigkeit sind Katja Scharnagl ein großes Anliegen, „aber ich möchte nicht dogmatisch sein“. Ein Großteil ihrer Importeure achtet auf ein ressourcenschonendes Arbeiten und mehr als 75 Prozent der Karte im Koloman kommen von organischen bzw. biodynamischen Produzenten. Auch Getränke aus dem „low-alcohol“- bzw. „no-alcohol“-Segment werden immer wichtiger. „Das Angebot wird immer besser! Ich habe mit Leitz non alcoholic Riesling angefangen und mittlerweile habe ich vier verschiedene non alcoholic wines glasweise im Angebot“, schildert Scharnagl. „Es ist großartig, den Gästen auch in diesem Bereich gute Produkte bieten zu können. Weil: Nur Wasser allein ist auch fad.“
Vibrierende Szene
Wenn man mit Katja Scharnagl spricht, bekommt man schnell ein Gefühl von der unbändigen Dynamik und der Atmosphäre, die New York so einzigartig machen. Hier seien die Menschen stets „hungrig“ nach Neuem, „what’s new, what’s out there?“ Weintrends würden im Minutentakt wechseln, „es tut sich immer etwas und das ist das Geniale an dieser Stadt – von Esoterik-Weinen über die ‚high rollers‘ bis hin zu Sake und …“
Es gebe so viele Importeure in New York, über 25.000 Restaurants würden „some sort of wine“ anbieten, wobei das Angebot von den High-End-Adressen bis hin zu kleinen Familienlokalen reicht. Gutes Essen und gute Weine würden aber schon lange nicht mehr reichen, um Erfolg und vor allem – viel wichtiger – Bestand zu haben. „In NYC sperren jedes Jahr tausende Restaurants auf und zu, es ist nicht einfach hier zu überleben und die meisten schließen noch vor dem ersten Jahrestag“, berichtet Katja Scharnagl. Und erinnert sich an einen Satz, den einst der legendäre Eric Ripert sagte: „Du musst aufpassen: Wenn du zu trendy bist, dann bist du schnell weg. Weil: Diejenigen, in den ersten Monaten kommen, sind nicht deine Stammgäste von morgen.“
„Jeder und jede in der Sommellerie möchte nach NYC kommen, da hier die tasting groups sind, die super interesting wine shops mit einer Vielfalt von der ganzen Welt, die Weinmessen und Journalist:innen.“ Auch in Sachen Women in Wine tue sich in New York vieles, so gibt es beispielsweise eine „Reihe von networking groups of female wine buyers, die sich viermal im Jahr zum Austausch treffen.“
Den Gast abholen
„Wine is fun“, liest man als einen der ersten Sätze, surft man auf der Website ihres Consulting Unternehmens. „Am Ende des Tages geht es um ein Glas Wein, das Spaß machen soll und den Gast dazu animieren, ein zweites oder ein drittes Glas zu trinken“, appelliert die Sommelière an ihre oft noch „versteiften“ Kolleg:innen. Viele Akteur:innen in der Sommellerie würden sich und ihren eigenen Geschmack zu ernst nehmen und seien nicht mehr offen, Neues zu probieren. Es brauche „einfache Worte, sei hospitable und versuche, eine Brücke aufzubauen.“
„Ich glaube, man sollte die Ernsthaftigkeit‘etwas herausnehmen und Wein nicht als etwas Kultiges ansehen.“
I am from Austria
Wenn nicht Kultstatus, so doch einen „ausgezeichneten Ruf“ hat mittlerweile Wein aus Österreich in New York City. „Und das in allen Bereichen von by the glass bis high end, von Grüner Veltliner über Gemischter Satz bis hin zu Blaufränkisch. Wir können echt stolz sein darauf, was wir hier erreicht haben für den Österreichischen Wein“, freut sich Katja Scharnagl, die auch das Mehr an Austausch und Verbundenheit in der Weinszene zu schätzen weiß. Ein weiterer Grund zur Freude ist die Karakterre, die im November in New York stattfinden wird. Der Salon für biologische, biodynamische und Natural Weine aus Mittel- und Osteuropa bietet ihr die ideale Gelegenheit, um „neue Talente zu verkosten“.
Ob sie selbst, angesichts ihrer Wachauer Wurzeln, auch schon einmal mit dem Gedanken gespielt hat, einen eigenen Wein zu produzieren? „Da möchte ich den Burgund-Pionier Henri Jayer zitieren, der einmal sagte: Wenn du Wein machst, mache ihn so, dass er dir schmeckt. Weil - wenn du ihn nicht verkaufst, musst du ihn selbst trinken. Für den Moment bleibe ich daher lieber auf ‚meiner Seite‘.“
Und womit stillt die Mutter einer kleinen Tochter, die sie als ihre „Heimat“ bezeichnet, das Heimweh, wenn es sie mal packt? „Dann gibt es Käsekrainer, Brot und ORF, Seitenblicke oder Land & Leute“, sagt sie mit einem Lächeln.
Katja Scharnagls Pairing-Tipps zu …
… Wiener Schnitzel: Burgund oder Champagne
… Tafelspitz: Grüner Veltliner
… Käsknöpfle: Weißwein aus dem Jura
… Apfelstrudel: Kracher oder gar nichts 🙂
… Kaiserschmarrn: Gereifte Kabinett-Weine oder Auslesen mit ein bisschen Süße